Berge versetzen

„labor für poesie als lebensform“. So lautet – kurz und knapp – das Selbstverständnis des Independent-Verlags kookbooks, der 2003 von Daniela Seel und Andreas Töpfer in Berlin gegründet wurde. „Kook“, so erklärt Seel im Interview mit Michael Braun in der NZZ, „sei nicht nur ein Slangausdruck für ‚Spinner‘, sondern auch ein Künstler-Netzwerk, das Ende der neunziger Jahre von Berliner Musikern initiiert worden sei“. In diesem Netzwerk traf sie den Grafiker Töpfer, der seither für die Gestaltungsideen von kookbooks zuständig ist. Dies war der Beginn einer bemerkenswerten und erfolgreichen Zusammenarbeit. (…)

Laut D. Kuhlbrodt in der taz ist kookbooks schon heute „einer der renommiertesten deutschen Verlage. Die Liste der Autoren, die hier ihre Heimat und Zuflucht gefunden haben, liest sich wie ein Lexikoneintrag ‚Deutsche Lyrik des 21. Jahrhunderts‘, verfasst im Jahre 2050.“ In der Tat: Wie kaum ein(e) andere(r) hat Daniela Seel neben dem Mut, den es für ein solches verlegerisches Wagnis braucht, ein geradezu prophetisches Gespür und ein ‚Händchen‘ für ihre Autor*innen und deren Texte bewiesen. Viele von ihnen wurden in den letzten Jahren mit renommierten Preisen ausgezeichnet. Gleich fünf Huchelpreisträger*innen hat kookbooks in seiner ‚Reihe Lyrik‘: Gerhard Falkner, Steffen Popp, Monika Rinck, Ulf Stolterfoht und Uljana Wolf. 2006 schaffte es Steffen Popp mit dem Roman Ohrenberg oder der Weg dorthin obendrein auf die Longlist des Deutschen Buchpreises, ebenso ein Jahr später Pierangelo Maset mit Laura oder die Tücken der KunstFür ihren eigenen Lyrikband (ich kann diese stelle nicht wiederfinden, 2011) erhielt Daniela Seel den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis und den Ernst-Meister-Förderpreis.

Um den jungen Verlag hat sich die literarische Landkarte des 21. Jahrhunderts neu arrangiert. Trotz aller Literaturpreise und Lobeshymnen, und trotz des Medienechos, das den Verlag begleitet – auch nach über einem Jahrzehnt (und wie wenig ist ein Jahrzehnt in ‚großer’ Verlagsgeschichte à la Klett-Cotta & Co, wie viel in der ‚kleinen’, unabhängigen!) gilt noch immer für die Routenplanung: kookbooks ist da, wo etwas los ist. Und umgekehrt. Michael Braun konstatiert, dass sich kookbooks als „neues Zentrum für die junge deutschsprachige Literaturszene etabliert“ habe. Es gehe Daniela Seel „nicht um die Etablierung einer neuen Hausmacht im Literaturbetrieb, sondern um die Dokumentation der vielfältigen Impulse, die sich auf dem Terrain der jungen Literatur kreuzen und überlagern. Die Utopie eines jungen, innovativen Literaturverlags, die Daniela Seel jetzt realisiert hat, hielten die präpotenten ‚Experten‘ für völlig blauäugig“. Hier dürften sich die ‚Experten‘ geirrt haben. Laut Braun zeige Seel, dass „literarische Leidenschaft eben doch Berge versetzen kann“. / Yvette Rode, literaturkritik.de

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