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Selten war mehr Fauna und Flora als beim Finale des Münchner Lyrikpreises. Gab es jemals einen Zyklus über Kiefern? Sebastian Unger hat ihn verfasst, und Kathrin Schmidt hatte sich bereits in der Zeitschrift Ostragehege dazu geäußert: Die zentralen Gestirne dieser Gedichte seien Tiere und Pflanzen.
Markus Hallinger, der Preisträger des Wettbewerbs, brachte das Bild des Hasen, der, dem Dichter gleichgesetzt, mit abgezogenem Fell dasteht, „geschält wie die Sprache“. Von der Prozession der Schnecken über Bienenschwärme bis zum Pferd, das zwischen den Bäumen und überall sonst wohnt, reicht das Tierrepertoire des 1961 geborenen Autors. Seinen Gedichten war jene so oft und gern geforderte Lebenserfahrung anzumerken.
In Tobias Roths Texten – mehrfach als bukolische Idyllen bezeichnet – tauchte bereits im Titel der „Floratempel“ auf. Eines der gelungensten Gedichte des Abends trug die Überschrift „Versuch über Herden und Rudel“. Hier zeigte der Lyriker en passant seine Souveränität, ohne sich mit seiner Renaissance-Kenntnis in die Fänge der Tradition zu begeben. Dabei galt die Skepsis nicht den historischen Bezügen, sondern dem unzureichenden Bemühen, dieses hochintelligente Spiel mit einer Modulation ins Jetzt glaubhaft zu machen.
Bunt und schillernd auch die Tierwelt in Kathrin Bachs Gedichten: Kaninchen, Seehunde, Käfer, Wespen, Schwäne, Möwen und Fische. Ihre Texte, mal als Metamorphosen, mal als Traumsequenzen eingestuft, konnten nicht zuletzt durch die unangestrengte Form überzeugen. Bemerkenswert, für dieses Finale jedenfalls, war, dass auch ein Du zum Vorschein kam. Vielleicht waren es, ganz im Verborgenen, dunkel getönte Liebesgedichte, worauf nicht zuletzt der Vorgang des Ineinanderverschmelzens im Gedicht „aggregat“ hindeutete.
Konstantin Ames, gewiss kein Naturdichter, hatte doch zumindest „klassische Kühe“ aus seiner saarländischen Heimat zu bieten. Und wer kennt nicht Niedaltdorf und die legendäre Landstraße L 354, die an Jungbullen vorbeiführt und irgendwann einen Blick auf die Kirche des Guldendorfs Leiding erlaubt? Wer so radikal Provinz einbezieht, sie gleichermaßen amtlich wie sinnlich belegt, wer dazu die Mundart mitführt und auch auf das Wort „Kläranlagenseechen“ nicht verzichtet, der darf – finde ich – auch den Titel sprachanarchischer Heimatdichter führen! / Andreas Heidtmanns Bericht von der Endrunde des Lyrikpreises München vollständig im Poetenladen
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