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Veröffentlicht am 12. Oktober 2014 von lyrikzeitung
Das Gedicht heißt „Timide, timide“ und kombiniert Religion, Landschaft und Linguistik, kontrastiert Bastarda (eine spätgotische Schriftart) und Frühstücksflocken, Pilgerschaft und Autobahn – über Mangel an Vielseitigkeit kann sich kein Leser beklagen. Eher schon gerät er ins Grübeln über der Frage: Muss ich all diese Wörter und Personen kennen? entschlüsseln? verstehen? Und was, bitte, gehen sie mich an?
Nichts natürlich. Nichts im Sinne von Empathie, individueller Betroffenheit und existenziellem Schauder, wofür die Lyrik nach allgemeiner Auffassung zuständig ist. Beyers Gedicht demonstriert die hakeligen, grenzenlosen Vernetzungen der Wörter über lokale Traditionen hinaus und fordert zum Mitknüpfen auf. Katholisch muss man dafür nicht sein, nur geduldig und offen für die gedehnte Bewegung des Textes, für den kalkulierten Wechsel von Fluss und Interruptio, Stocken und Beschleunigung. Geht ins Ohr, in den Kopf und bringt gewohnte Bildsortierungen in zarte Unordnung. / Gisela Trahms, Die Welt
Marcel Beyer: Graphit. Suhrkamp, Frankfurt/M. 207 S., 21,95 €.
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Gisela Trahms, Marcel Beyer
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