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Die 1915 geborene Lyrikerin Christine Lavant war kein Geschöpf der österreichischen Salons. Zeit ihres Lebens wohnte sie in bäuerlicher Umgebung. Die Hauptschule hatte sie abgebrochen. Ihre Texte aber sind derartig souverän, dass man Lavant eine der bedeutendsten Dichterinnen deutscher Sprache nennen muss. Eine vierbändige Werkausgabe trägt ihre wunderbaren Texte nun erstmals zusammen. (…)
500 bis 600 unveröffentlichte Gedichte und Gedichtentwürfe sind im Lavant-Nachlass gefunden worden. Das übertrifft – wie Amann sich ausdrückt – „alles, was man bei einer Autorin des 20. Jahrhunderts im Nachlass finden kann“. Insgesamt ergibt das ein Konvolut von rund 1800 Gedichten! Eine enorme Produktion für eine Autorin, die sich ihre Existenz die längste Zeit ihres von Krankheit gezeichneten Lebens durch Stricken sichern musste und in qualvoller Enge das Zimmer mit einem ungeliebten, 30 Jahre älteren Ehemann teilen. Lavants existentieller Hunger nach Liebe, ihr Ringen mit Krankheit und Einsamkeit, ihr Kreisen um Tod und Verlöschen, ihre Sinnsuche in Religionen und Esoterik sind ihren Gedichten eingeschrieben. In dem jetzt vorliegenden Band, der zunächst alle zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichte enthält, sind diese Wegmarken auf Schritt und Tritt erkennbar. Aber die enorme Kraft ihrer Bilder und ihr kompositorisches Geschick, Eindeutigkeiten immer wieder aufzulösen und die Balance zu verschieben, um ein Ich oder ein Du der Kenntlichkeit zu entziehen – das hebt ihre Kunst weit über alles Autobiografische hinaus. Im immer wiederkehrenden Motiv der Liebe bzw. der gescheiterten Liebe changiert die Ansprache des lyrischen Ich an ein Du zwischen Gottesanrufung und Zwiegespräch mit einem Geliebten:
Du wirst mich behalten müssen
im Netz deines Willens
Ich mag nicht mehr in die Welt hinaus,
wo die Sonne sinnlos aufsteigt und sinkt
und der Mond sich fiebrig verviertelt.
Hier drinnen herrscht weder Tag und Nacht,
hier fällt die Versuchung der Sterne hinweg,
aufzuknieen aus altem Leiden,
um ins nächste stürzen zu müssen.
In deinem Netz ist die Schwäche fromm.
Wie ein vom Lichte erlöster Falter
schläft ein das geängstigte Herz.
Du wirst mich behalten müssen
mit allem, was ich verloren habe
und was mich schwer macht,
so steinern schwer, dass das Netz deines Willens oft zittert.
Christine Lavant: Zu Lebzeiten veröffentlichte Gedichte
/ Angela Gutzeit, SWR (SWR2 Buch der Woche am 1.9.2014)
Ich werde nicht schlau aus dem obigen Text und aus den bisherigen Antworten. Sollte jemand mir Antwort geben können, herzlichen Dank.
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nein, ich sage der erste band ist der mit den bereits erschienenen. der rest kommt noch. und dieser band wird beim swr besprochen
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Ah okay, jetzt ist es klarer. Vielen Dank und lieben Gruß.
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und die anderen Gedichte – die nach ihrem Ableben gefundenen – werden oder sind diese auch schon veröffentlicht?
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ist der erste band einer Reihe: Christine Lavant: Werke in vier Bänden (Hg. von Klaus Amann und Doris Moser. Im Auftrag des Robert-Musil-Instituts der Universität Klagenfurt und der Hans Schmid Privatstiftung)
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Danke! Der erste Band ist der mit den Gedichten, die nach ihrem Tod gefunden wurden? Verstehe ich das richtig?
Die Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus von Christine Lavant möchte ich auch unbedingt empfehlen bei dieser Gelegenheit.
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nein, in dem stehen die bereits erschienen gedichte. auch einstattlicher band. war verstreut und schwer zugänglich
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jetzt sagst du, dass die 4-bändige ausgabe jene ist, in der die bislang erschienenen gedruckt sind. ich fragte ja nach den im text erwähnten gedichten. die nach ihrem tod entdeckten gedichte gibt es noch nicht gedruckt und veröffentlicht?
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