46. Die preisgekrönten Dichter

Hanno Helbling leistete sich keine interpretatorischen Kapriolen wie Celan das tat und hielt sich bei seiner Bearbeitung von Montales drei Bänden Ossi di seppia (Tintenfischknochen), Le occasioni (Anlässe) und Finisterre/La bufera e altro (Finisterre/Stürme) nah am Text des Originals. Das bietet sich zugegebenermaßen auch eher an als es bei Ungaretti der Fall sein könnte – denn anders als der hielt sich Montale mit der Rätselhaftigkeit noch bedeckt. Wo Ungaretti mit zwei enigmatischen Zeilen und eleganten Wortspielen die Sprache zum Leuchten bringen konnte, da lädt Montale, nicht unähnlich Quasimodo, zum Versinken in subtilen Narrativen und dichten Momentaufnahmen ein.

So musikalisch sich Montales freie Verse mit ihren dezenten Rhythmen und kraftvollen Klanglichkeit – ein Blick ins Original lohnt sich selbst bei mangelnden Italienisch-Kenntnissen ungemein – lesen mögen, gänzlich opak sind sie keineswegs. Das Schlagwort Hermetismus zumindest verfehlt eigentlich den Sachverhalt. Denn obwohl auch Montales Lyrik sprachmagisch aufgeladen ist, sich in Anspielungen und kühnen Metaphern ergeht: Montale war kein Verfechter von sperrigen ästhetizistischen Turnübungen, sondern ein Meister der Evokation, der Schemen gekonnt zu Szenen verdichten konnte.

Schon das Eröffnungsgedicht von Ossi di seppia ist modernistisches Manifest wie auch liebevolle Hommage an die Poesie zugleich. Es beginnt mit einer kleinen ironischen Spitze:

Ascoltami, i poeti laureati
si muovono soltanto fra le piante
dai nomi poco usati: bossi ligustri o acanti.

Die preisgekrönten Dichter, weißt du, sie
bewegen sich bloß unter den Gewächsen
mit seltenen Namen: Buchsbaum, Liguster, Akanthus.

/ Kristoffer Cornils, Fixpoetry

One Comment on “46. Die preisgekrönten Dichter

  1. zur generellen problematik um den begriff »hermetismus« kommt noch eine verkomplizierung hinzu: während hierzulande (und nicht nur hier) die große trias ungaretti – montale – quasimodo als inbegriff und höhepunkt des italienischen hermetismus gilt, wird das in der italienischen literaturgeschichtsschreibung anders gesehen. dort gelten die zwei erstgenannten fast durchweg als eigenständige, einflussreiche, aber nicht näher etikettierte größen der moderne; die bezeichnung »ermetici« wird überwiegend auf quasimodo und die nachfolgende generation mit u.a. alfonso gatto, leonardo sinisgalli, mario luzi und dem kritiker und theoretiker carlo bo angewandt.

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