94. Antiliebesgedichte

Doch nicht das Wiedergeben von Stimmungen, sondern das durchdachte Spiel mit den Lyriktraditionen sei seine Herangehensweise, wie er am Beispiel seiner „Antiliebesgedichte“, wie er es nennt, erläutert. „Ich möchte mit so einem Gedicht das Liebesgedicht in Frage stellen.“ Nicht um das Anbeten, sondern um das Zweifeln in Beziehungen gehe es in einem davon. „Aber es gibt auch ein zärtliches“, so Kehle über „Berufsverkehr“. „Hier schaut einer seiner Liebsten hinterher, wie sie im Berufsverkehr verschwindet. Das hat eine gewisse Zartheit.

(…) Neben der Frage, ob und wie es möglich sei rein technisch zu dichten, kommt das Gespräch auf die Marginalstellung der Lyrik im Literaturbetrieb. Trotz dieser plant das Kulturbüro für Juni wieder ein Poesiefestival, für das Kehle wie schon 2010 als Berater tätig ist. / Julia Russ, Südkurier

3 Comments on “94. Antiliebesgedichte

  1. Ja, ein lustiger Artikel ist das. Regt die Phantasie an (meine): Wie kommt so eine Rezension wohl zustande? Mir drängt sich (fiktiv, ganz fiktiv) grade folgendes Szenario auf:
    Ein stadtbekannter, notorisch lockerer Spaß- und Wandervogel, bekennender Fast-Food-Experte und Nicht-Dichter, der keinen Scherz scheut, hat plötzlich Hunger auf ein bisschen Meta (Meta ist übrigens, wie ich kürzlich hörte, KEIN Fluss in Kolumbien, also NICHT das Pendant zur Poebene, sondern eine von fröhlichen deutschen Hausmännern gern als Argumentsurrogat verwendete sämige Pufferfüllselmasse). Betätigt sich also unser sympathischer Schelm, seinen launigen Metagelüsten nachgebend, ganz smart als Hobby-Poetologe und wirft (der Marginalstellung der Lyrik im Literaturbetrieb wacker trotzend! ha!) ein paar maue, flaue Floskelbröckchen in einen großen Topf Instantbrühe, um endlich, endlich das Liebesgedicht aber so was von in Frage zu stellen und der Anbetung mal richtig den Zweifel entgegen zu halten (immer mit einer gewissen Zartheit natürlich!). Mhm, lecker ist das. Und ganz was Neues sowieso.
    Zufällig nun ist diese nette kleine Zeitungsfrau in der Nähe, die sich berufsbedingt vor keiner geschmacklosen Suppe fürchtet; die schreibt brühwarm alles mit, was unser poetologelnder Maggimeister ihr an Seichtigkeiten vorköchelt, und bastelt später brav ein glattgerührtes Artikele draus: Das ist so holdselig harmlos, dass es jedem Menschen mit Humor ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern vermag. Doch, wirklich. Bei mir jedenfalls hat’s voll gewirkt, ich grinse immer noch. — Den Gedichten, über die das Artikele (ohne was zu sagen) spricht, wünsche ich übrigens von ganzem Herzen alles Gute und dass sie am Ende womöglich sogar ein paar Gramm mehr Fett in der Trockenmasse tragen mögen als diese hohl kreiselnde (Kreisel, Kreisel – wo hab ich das kürzlich nochmal gehört?) Nullrezension.

    PS: Was ist eigentlich gehaltvoller – das Antilieblingsgedicht oder das Antiliebesgedicht? Und serviert man zu einem Antigedicht besser im Berufsverkehr verschwindendes junges Gemüse oder sollte man es doch lieber auf zärtlich gedämpften Hühnerbrüstchen anrichten? Ich weiß nicht, bin da ganz unsicher … vielleicht kann mir einer von diesen reinrassigen Technikern weiterhelfen, also so einer, der sich auf das durchdachte Spiel mit den Lyriktraditionen versteht; ich biete zum Tausch Rumkugeln und komische Stimmungen.

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  2. zu dem begriff „antilieblingsgedichte“ kann sich wohl jeder was anderes denken. dennoch finde ich den impuls großartig und werde mich mal mit meinen liebsten gedichte der art beschäftigen „wie ich sie selber nie geschrieben hätte“, obschon ich da -wohl oder übel- auch wieder an die geraten werde, die mir „unter all denen“ noch am nahesten sind… hm… um meine „antilieblingsgedichte“ zu finden, muss ich mich austrixen! ob dafür schon eine außerkörperliche erfahrung reicht (wie sie so schön in der wikipedia illustriert ist)?

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