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Die besten Gedichte habe er im Getto geschrieben, sagte Abraham Sutzkever. Der jiddische Dichter, der heute 96-jährig in Israel lebt, war 27 Jahre alt, als die Wehrmacht Litauen besetzte. In Wilna, dem heutigen Vilnius, errichteten die Deutschen ein Getto und erschossen Tausende von Juden im Wald nahe der Stadt. Im Sommer 1941 erlosch damit das reiche jüdische Kulturleben in Wilna, jenem „Jerusalem des Nordens“, in dem es jiddische Zeitungen, Bibliotheken und Hochschulen gab. …
In den Übersetzungen von Hubert Witt wirken die erschütternden Gedichte unmittelbar direkt und frei von Pathos. In „Wilner Getto“ ist auch zu erfahren, wie sie entstanden. Noch in den schlimmsten Situationen hörte Sutzkever nicht auf zu dichten. „Gesichter in Sümpfen“ etwa schrieb er im Sommer 1941 in einem Versteck unter einem Blechdach, in dem er sich nur liegend aufhalten konnte: „Nacht hat unsre Gedanken grau gemacht./ Morgensonne sät glühendes Salz in die Wunden.“
Auch der Frankfurter Campus Verlag legte in diesem Jahr einen Band von Abraham Sutzkever vor. Der (ebenfalls vortreffliche) Übersetzer Peter Comans präsentiert darin eine umfassende Werkauswahl von den frühen Gedichten, die der romantischen Naturlyrik nahestehen, bis zu den späten, poetisch verdichteten Prosatexten, die in Israel entstanden sind. „Geh über Wörter wie über ein Minenfeld“ enthält außerdem eine kundige Einführung von Heather Valencia in Leben und Werk des einzigartigen Autors. / EVA PFISTER, Rheinischer Merkur 49
– Wilner Getto 1941–1944. Deutsch von Hubert Witt. Ammann Verlag, Zürich 2009. 272 Seiten, 22,95 Euro.
– Gesänge vom Meer des Todes. Gedichte. Ausgewählt und übersetzt von Hubert Witt. Ammann Verlag, Zürich 2009. 192 Seiten, 22,95 Euro. Einzeln oder zusammen im Schuber erhältlich zum Subskriptionspreis bis 31.12.2009 von 34,95 Euro.
– Geh über Wörter wie über ein Minenfeld. Lyrik und Prosa. Auswahl, Übersetzung und Anmerkungen von Peter Comans. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2009. 389 Seiten, 34,90 Euro.
Erst heute bin ich auf diese Reihe Veröffentlichungen getroffen. (Bin noch nicht lange hier auf WP.) Einerseits staune ich über über die magere Resonanz = keine Kommentare = andererseits verstehe ich als die namenlose Sprachlosigkeit vor dem von ihm beschriebenen Grauen. Danke für den Hinweis auf diesen Dichter; auf dass dieser Schrecken nicht vergessen werde und das Bewusstsein für rechte und rassistische Tendezen aller Art erneut geschärft werde; letztlich mit dem Ziel, den weiterhin und zunehmend aktiven rechten etc. Betsrebungen in West und Ost entschlossener und mutiger entgegengetreten werden kann.
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