150. Denken in Oppositionen

Einen großen, fast übergroßen Bogen schlägt Hans-Dieter Schütt, ND 28.11. – vielleicht ja nur, weil er zuviel wegläßt zwischen Superlativen: „Meisterstücke“, „elegantest“, „Genauigkeit und Stimmigkeit“ („verblüffend souverän“ ist da schon fast eine Einschränkung) und, nun ja, schlichtweg „Heiner Müller“. Als sei es ganz selbstverständlich, behandelt er „Schönheit“ (im unausgesprochenen Hintergrund: Hacks) und „Heiner Müller“ als Pole einer Opposition. (Meinen Studenten sage ich, Opposition sei nur sinnvoll zu bilden, wenn man exakt das zugrundegelegte Klassem angibt). Sehen Sie:

In einer Art Nachwort, einem »Brief an einen jüngeren Weggenossen«, benennt Werner Makowski sein Credo: Schönheit sei herstellbar, die Welt verbesserungsfähig, das Leben gestaltbar. »Wenn der Inhalt bitter ist, die klassischen Formen sind heiter.« Und so strahlen diese Gedichte – viele kleine Meisterstücke elegantest gesetzter Genauigkeit und Stimmigkeit – einen verblüffend souveränen Bejahungscharme aus. Kaum verwunderlich, dass dies in Polemik wider Heiner Müller enden muss, »das bietet jedes Magengrimmen/ als Weltschmerz … Der Mensch ist ein Tier,/ sagt das, und zündet die Zigarre./ Ja, sagen wir, aber die Mühe lohnt,/ es kann ein Mensch werden, /trotz furchtbarster Wahrheit,/ jetzt und auch fürderhin«.

Ahja, hier werden alte Schlachten noch einmal geschlagen, vielleicht, offenbar, von beiden, Makowski und Schütt. Beide, der düstere Müller und der glänzende Hacks (so faßt es Volker Braun, aus dem Gedächtnis zitiert), wurden von der DDR ziemlich gleich behandelt, gleichzeitig verboten und dann wieder gespielt und geehrt, und zählten auch in der Bundesrepublik zu den meistgespielten Autoren. Beide auch verabscheuten einander und hatten (und haben) ihre jeweilige Anhängerpartei. Sollen sie! Nur finde ich, zur Rezension zurück, klingen die Zitate aus Makowskis Gedichten, die Schütt anführt, nicht gerade nach „Meisterschaft“ usw., sondern eher beiläufig und gar bemüht. Die weiteren Proben:

Makowski über Hacks:

»Tief im Mißmut weicht/ er aus in Schönheit,/ macht noch unterm Fels/ sich leicht.« Und »jene Sonne, die Homer beschien,/ stand hoch auch über seinem Weg«.

Über „die Zeiten“:

Und noch das Spiel mit Fatalismen des Lebens steigert sich zum zwinkernden Stil eines Eugen Roth: »Wir sind hineingeboren in die Zeiten/ und retten uns in Tätigkeiten.«

??!!

diese Lyrik ist ganz hingerissene Erfahrung eines Ausdrucksvermögens, das am kapitalen Unvermögen der Welt nicht Schaden, sondern aufmunternd Anteil nimmt. Mit Gedichten, »der kleinen Gattung für traurige Zeiten«, und traurige Zeiten sind’s, denn »der Spätkapitalismus hat keine Kunst, weil er keine benötigt«. Wie gesagt: Hacks!, Antiromantik!, stolz darauf sein, nicht zum Ruhme zu gelangen.

[Schütt hymnisch, Makowski dünnlich] Und noch eine Probe:

Über die »Versunkene DDR« heißt es: »Die Dächer warn kaputt, die Menschen heil,/ Hierorten sieht man meist das Gegenteil.« Dort, wo ein Dichter am besten ist, weiß man nie, ob er spottet oder trauert.

Naja, halt so Denken in Oppositionen. Mich haut das nicht vom Stuhl. (Um nicht zu sagen: ich bin da skeptisch).

Am ehesten überzeugend vier Zeilen über seine sogenannte Heimatstadt, Eisleben:

»Mein Städtchen ist ein enges Vaterland./ Der miese Kleingeist füllt es bis zum Rand./ Warum ich hier verharre: Hören Sie,/ wer das besteht, dem stirbt die Menschheit nie.«

(Aber auch hier endets eher schal) – Wie gesagt, es mag an Schütts Auswahl liegen, die weniger von einzelnen Texten als von einer vorhergehenden gedanklichen Opposition bestimmt scheint.

Werner Makowski: Stille Gesellschaft. Gedichte. Verlag André Thiele. 160 S., geb., 16,90 €.

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