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Von Gerrit Wustmann, Neue Rheinische Zeitung
Axel Kutsch gilt als bedeutender Herausgeber von Lyrik in Deutschland. In dieser Woche erscheint mit „Versnetze_zwei“ der Nachfolgeband seines Übersichtswerks über die deutsche Gegenwartslyrik, in dem Poeten aller Generationen eine enorme Vielfalt präsentieren. Im Gespräch mit der NRhZ gewährt Kutsch Einblick in seine Arbeit, spricht über die deutsche Verlagslandschaft und erklärt, warum die höchste sprachliche Kunstform mehr Leser verdient hätte:
Kann man in diesen zwei Jahren ausmachen, ob es neue Tendenzen, Entwicklungen in der deutschsprachigen Lyrik gibt?
Im Laufe dieser zwei Jahre nicht so sehr. Es ist nach wie vor so, dass die junge Generation nach vorne drängt, was schon seit einigen Jahren in stärkerem Maße als in früheren Jahrzehnten der Fall ist. Man erkennt den Willen, Schreibweisen zu forcieren. Eine grundsätzlich neue Richtung wird man wohl nicht mehr kreieren können, aber die Jungen, die die Traditionen kennen, versuchen, eigene Noten und eigene Diktionen zu entwickeln, die die Lyrik in kleinen Schritten vorantreiben. …
Wie schon 2007 ist auch in „Versnetze_zwei“ eine gewisse Zentrierung erkennbar. Die junge Lyrikszene spielt sich vorwiegend in Berlin, Leipzig, Köln ab, viele drängen in die Hauptstadt. Manche widersetzen sich dem Trend. Die 27jährige Kölner Autorin Marie T. Martin sagte kürzlich, sie wolle nicht nach Berlin. „Das macht doch jeder.“
Eine Zentrierung auf nur eine einzige Stadt wäre nicht so gut. Leipzig, Berlin, Köln und Umgebung, auch München sind Schwerpunktstädte. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass sich in ganz Deutschland, auch in der Provinz, viele Talente finden. Augsburg oder Hannover sind keine Städte, die man mit Literatur in Verbindung bringt. Brecht ist aus Augsburg abgehauen. Das sind Städte, aus denen manche junge Autoren schnell fliehen. Aber auch dort sitzen sowohl jüngere als auch ältere Poeten, die sehr gute Lyrik schreiben und durchaus Kontakt halten zu Autoren in den Schwerpunktstädten. Die Gefahr einer zu starken Zentrierung sehe ich nicht. Die Szene ist sehr vielfältig.
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