Liebe Lyrikfreundinnen und -freunde in aller Welt,

Lyrikzeitung / Lyrikpost treten in eine dreiwöchige Sommerpause. Hier also die letzten Nachrichten – und voran ein Gedicht, das sich mir – warum auch immer – jetzt aufdrängt. Es stammt von einem französisch schreibenden ägyptischen Dichter koptischer Herkunft. Er heißt Georges Henein (1914 – 1973). Gefunden in: Das surrealistische Gedicht (der rote „Surrealismusziegel“) S. 557. Ein Gedicht, bei dem ich auch bitte die Anmerkung mitzulesen.

Sonia Araquistáin

grabt
und es wird ein Lächeln sein
ein Grabeslächeln
für die die das Leben beim Wort nehmen
grabt
und der Staub wird euch zu Herzen gehen
und ihr geht mit dem Herzen im Staub
während die Liebe säumt
reglos am Fensterkreuz der Weigerung

grabt
und es wird Himmel sein
es wird vielleicht Himmel sein
vielleicht die Teilung der Arten
oder der herzzerreißende Geschmack nach Regen
grabt
auf das diese Frau den Fächer ihres Sturzes entfaltet
auf daß sie für immer die Trägheit des Raumes ohrfeigt
auf daß ihr schönes Gesicht aus geborstnem Kristall
sich dem Festland vermählt

grabt
und es wird die einsamsten Augen der Welt geben
und auf dem fröstelnden Boden der Allee
eine Fremde unverhofft wie ein Fenster
grabt diesen Augen einen unmöglichen Blick
grabt unsren Namen in unsere Nacht
grabt für uns.

 

In der Anlage schicke ich Ihnen … ein Gedicht, das Sonia Araquistáin gewidmet ist. Sonia Araquistáin hat im September in London Selbstmord begangen, indem sie sich entkleidet aus dem dritten Stockwerk gestürzt hat. Da dieser Selbstmord dem niederträchtigen englischen Brauch gemäß Anlaß zu einem Prozeß gegen die Verstorbene war, wobei der Staatsanwalt eine unverhoffte Gelegenheit fand, alles verächtlich zu machen, was es an Poesie auf dieser Welt noch gibt, haben einige Freunde und ich beschlossen, als Antwort darauf eine internationale Huldigung für Sonia Araquistáin zu organisieren. Aber es scheint, daß dieses Vorhaben infolge der Kommunikationsschwierigkeiten, die zwischen Ländern und vor allem zwischen Kontinenten noch bestehen, sich verzögert. G.H.

/ 31.7.03

2 Comments on “Liebe Lyrikfreundinnen und -freunde in aller Welt,

  1. Wer hat es übersetzt? Schönes Gedicht. Worum es geht, was in der ‚realen Welt‘ dahinter steht, kann man ahnen. Die Anmerkung ist sehr interessant und berührend. Aber die Musik des Gedichtes besteht auch allein.

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