a poet with a bent for narrative verse who was also an influential critic and teacher of English literature and creative writing at Princeton University, died on Tuesday at his home in Princeton. He was 86. / NYT *) 19.4.03
Anläßlich der Auktion ist ab Dezember 2002 vor allem in den USA und in Frankreich eine Vielzahl von Petitionen, Protestschreiben, Flugblättern usw. erschienen. Allen diesen Pubkationen gemeinsam ist ein z.T. beinahe entsetztes Bedauern darüber, daß Bretons Sammlungen in alle Welt zerstreut werden sollten, sowie eine heftige Empörung über den französischen Staat, der seit Bretons Tod kein Interesse an der Erhaltung des Nachlasses bekundet und sein Engagement darauf beschränkt hat, einige sog. Spitzenwerke aus der Erbmasse zu erwerben. In vielen Protesten gegen den Ausverkauf wird hingegen der enbloc-Erhalt von Bretons einstigen Besitztümern als nationales Kulturerbe, die Herrichtung seiner ehemaligen Wohnung als Gedenkstätte und sogar ein eigenes Breton-Museum verlangt. Unterstützt wurden diese Forderungen u.a. von Jacques Derrida, Michel Butor und Kenneth White, die auch ein Breton-Wachsamkeits mitinitiierten. Gegen derartige Postulate, die zumeist von nichtsurrealistischen Intellektuellen (unter ihnen sehr prominente) ausgingen, stellte sich ein Teil der noch lebenden Surrealisten, die teilweise, wie etwa diejenigen in den USA, noch überaus aktiv sind. So polemisierte die US-amerikanische Surrealistengruppe in ihrem Flugblatt Surrealism Is Not For Sale von Januar 2003 vehement gegen die Museifizierung des Surrealismus mittels eines Breton-Museums.
Ähnlich äußerte sich Anfang Februar eine Anzahl ehemaliger Mitglieder der Pariser und verschiedener anderer Surrealistengruppen in ihrem Flugblatt Le Grimoire sans la formule, das die Unvereinbarkeit von bürgerlichem Staat und Surrealismus, von Surrealismus und nationalem Kulturdenken hervorhebt. Eine analoge Position vertrat auch, in zwei individuellen Stellungnahmen, Fran#### mon, ehemaliges Mitglied der Pariser Surrealistengruppe: Breton-Museum? Diese Eventualität hat etwas, das einen schaudern läßt. […] kein Museum, keine Stiftung, kein Kunstsammler kann den Ort [d.h. Bretons Wohnung] wieder zum Leben erwecken. Während der Streit um Bretons materielles Erbe wochenlang die Seiten der französischen Tageszeitungen füllte und auch in ausländischen Medien sein Echo fand, meldete sich der größte Teil von Bretons noch lebenden ehemaligen einstigen Mitstreiter/inne/n öffentlich nicht zu Wort nicht aus Gleichgültigkeit, sondern offensichtlich ratlos angesichts der gegebenen Alternativen: Vereinnahmung des Breton-Erbes durch einen als Feind des Surrealismus betrachteten Staat oder Verstreuung des kostbaren Nachlasses in alle Winde.
Diesen zusmmenfassenden Bericht hat Heribert Becker freundlicherweise zur Verfügung gestellt. / 18.4.03
Einen würdigen Platz im Pantheon der deutschen Dichter hat der König der Romantik, bei aller Verehrung, allerdings nie so recht gefunden. Eine vollständige Ausgabe seiner Werke kam nicht zustande; die vor knapp zwanzig Jahren mit erheblichem Aufwand von Suhrkamps Deutschem Klassiker Verlag begonnene Edition wurde sistiert und hat zurzeit kaum Aussichten auf ihre Vollendung. Aber – war das Unvollendete nicht immer das Zeichen aller Romantik und wahrer Poesie? / Klaus Günzel, Die Zeit 17/2003
The usual pack of grave-robbers expects the sale to top $40 million, but the pathetic bankruptcy of this enterprise should be obvious to those who know thta surrealism can no more be bought and sold than can love, imagination, or freedom. The breaking-up of Breton’s collection is deplorable on all counts, and indeed, a tragedy, but first and foremost it is a shameful and hostile act on the part of the French authorities. Much more is involved than a blow to researchers: The sale is, in effect, a cowardly and criminal attempt to obliterate crucial and irreplaceable evidence of an exemplary subversive, liberating, and revolutionary current in history and culture, not only in France but throughout the world. The bewildered, reactionary, jingoistic cabal that currently dominates French political life has nothing but fear and loathing for the memory and living presence of André Breton—who, by the way, was never even close to being wealthy himself. Were this a collection devoted to Impressionism, Fauvism, Cubism, or any other mere art or literary movement, the French state would doubtless intervene at once and seize it in its entirety as a national treasure. Breton, however, remains the embodiment of the most scandalously anti-authoritarian virtues: insubordination, revolt, revolution, and freedom now! A vigorous opponent of French colonialism, imperialism, capitalism, white supremacy and all forms of exploitation and racism, the author of the Surrealist Manifestoes is a symbolic “Enemy of the State” second to none. / Surrealism is not for sale, Januar 2003
Neun Jahre lang hatte die Wohnung von André Breton leer gestanden. Das Ensemble blieb unangetastet, bis der Vermieter die Tür zur Rue Fontaine 42 gewaltsam öffnen ließ. Nach französischem Recht ist leer stehender Mietraum wieder nutzbar zu machen. Als sich die Tochter darüber hinaus nach dem Tod ihrer Stiefmutter mit einer 60-prozentigen Erbschaftssteuer konfrontiert sah und die Verhandlungen über eine Stiftung oder Musealisierung des Ateliers zu nichts führten, blieb ihr nur der Verkauf. / Die Zeit 17/2003
Man sollte vielleicht vorab klar machen, daß hier nicht von einem x-Beliebigen, von einem der vielen mehr oder weniger Großen der Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts die Rede ist; deshalb ein Zitat: „Ich stelle ihn auf eine Stufe mit Einstein, Freud, Jung oder Kafka. Mit anderen Worten, ich betrachte ihn als einen der vier oder fünf großen Reformer des modernen Denkens“ (Eugène Ionesco).
Heribert Becker: Die Plünderung von André Bretons Nachlaß oder Der Geist in Zeiten des Turbokapitalismus. Dossier /16.04.03
Im Saal ist das nächste Stück dran: ein eingerissenes Blatt Papier mit einer Zeichnung von „Nadja“. Das war jene Geliebte des Herbstes 1927, die wenig später in einer Nervenklinik verschwand. Sie stand dem Surrealisten Patin für seine gleichnamige Erzählung. / taz 16.4.03
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Statt eines Museums wird der Nachwelt ein siebenbändiger Katalog mit sämtlichen Stücken aus Bretons Sammlung bleiben. Und eine CD-ROM mit beweglichen Bildern aus seiner Wohnung. Breton, der Surrealist, ist virtuell geworden./ taz 16.4.03
In der FAZ stellt am gleichen Tag (16.4.03) ein anderer in Deutschland lebender Iraker, der Dichter und Verleger Khalid al-Maaly, Überlegungen zum Wiederaufbau seines Landes an:
Ich wünsche mir – nein, mehr als das, ich fordere, noch bevor Verträge unterzeichnet werden, dass Deutschland sich neben anderen Ländern aktiv am Wiederaufbau beteiligt. Vor allem jedoch sollte das Außenministerium überlegen, ein Goethe-Institut in Bagdad zu eröffnen. Es gibt eine große Gruppe von Deutsch-Irakern, die für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern eine große Rolle spielen könnten.
Sein Wort in Schröders (Fischers, Eichels, Weiss´…) Gehörgang! Hier gäbe es größeren „Lorbeer“ zu erringen als mit der – ein Beispiel – Rettung eines schäbigen Hauses in Greifswald, in dem eine ledige Näherin 1906 den Knaben Wolfgang gebar. (Marie Koeppen hieß sie. In dem Haus ist jetzt Koeppens Nachlaß untergebracht)
Diese naive und vage Vorstellung von Modernität ist der grösste Bremsklotz bei der Erneuerung der arabisch-islamischen Gesellschaften. Als im vorigen Jahrhundert der liberale ägyptische Gelehrte Rifa al-Tahtawi Paris besuchte, schrieb er einen Satz, der berühmt werden sollte: «In Frankreich sah ich einen Islam ohne Muslime, und in Ägypten sah ich Muslime ohne Islam.» Doch um diesen französischen Islam (gemeint waren der Fortschritt und die moderne Lebensweise) zu erreichen, muss zunächst der Islam von den Fesseln der nomadischen Stammeskultur befreit und der Koran als Glaubensbuch einer Weltreligion betrachtet werden, aber nicht etwa als allumfassende Lehre der Philosophie, der Naturwissenschaften, der Politik.
…
Die falsche Frage, die allenthalben zu hören ist, lautet: «Wollt ihr den Islam oder die Demokratie?» Doch die Antwort kann nicht etwa lauten: Wir wollen den Islam, wenn auch ohne die Demokratie – oder die Demokratie, wenn auch ohne den Islam. Denn einerseits verkörpert der Islam, im kulturellen und nicht nur im religiösen Sinne, die Identität der arabischen und islamischen Völker; anderseits aber leben diese Völker zugleich in einer Zeit, in der die Demokratie, als einzig mögliche Form eines freiheitlichen politischen Systems, den Islam von seinen geschichtlichen Fesseln befreien könnte.
/ Fadhil al-Azzawi, NZZ 16.4.03
Der irakische Dichter Fadhil al-Azzawi, 1940 in Kirkuk geboren, lebt seit 1983 als freier Schriftsteller in Berlin. Aufgrund seiner kulturellen und politischen Aktivitäten wurde er im Irak mehrmals verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er wirkte als Herausgeber, Redaktionsleiter und Kulturredaktor bei arabischen Zeitungen und Zeitschriften und hat über zwanzig Gedichtbände, Romane und literaturkritische Werke veröffentlicht. Auf Deutsch liegt der Gedichtband «Auf einem magischen Fest» vor.
Al-Maaly: For us, Lebanon is the country we dream of. Every Arab writer or artist used to fantasise about living and working in Lebanon, because there was a certain amount of freedom there before the invasion. And there still is, despite all the new laws. But after the invasion, the country was occupied, and I made the emotional decision to form a publishing company here in Germany. When the dream of Beirut dissolved, I simply tried to find another way to express myself. …
What’s the best-selling work by a German author?
Al-Maaly: „What is Globalisation?“ by Ulrich Beck, and the poems of Paul Celan.
And what do you have coming up next?
Al-Maaly: The collected poems of Friedrich Nietzsche, and „The Man Without Qualities“, by Robert Musil.
Gespräch mit dem irakischen Lyriker Khalid al-Maaly, qantara.de. In seinem Verlag soll die erste Nietzsche-Gesamtausgabe in arabischer Sprache erscheinen.
Al-Kamel [d.h. Das Kamel] Verlag
Postfach 210149
50527 Köln
Tel: *49-(0)221-73 69 82
Fax: *49-(0)221-73 26 763
E-Mail: KAlmaaly@aol.com
/ 16.4.03
Seit dem 6. April, dem 125. Geburtstag Erich Mühsams, regiert das Schwarz-Rot des Anarchismus im 1. Stock des ehrwürdigen Bürgerhauses in der Lübecker Mengstrasse 4. Unter dem Motto «Sich fügen heisst lügen» werden dort Leben und Werk des rebellischen Sohnes der Stadt vorgestellt.
/ Dorothea Dieckmann, NZZ 16.4.03
Erich Mühsam: Sich fügen heisst lügen. Ausstellung im Buddenbrookhaus Lübeck, bis 25. Mai; ab Juli in der Monacensia in München. Begleitbuch:
Leben und Werk in Texten und Bildern, hrsg. v. Marlies Fritzen. Steidl-Verlag, Göttingen 2003. 2 Bände im Schuber, zus. 440 S., Fr. 75.20.
Berlin, Prenzlauer Berg, Dezember 1981, Adolf Endler notiert in seinen Sudelblättern: „Lesung mit Erich Arendt, der jetzt achtundsiebzig Jahre alt ist und rätselhaft wie eh und je: Es leuchtet durchaus ein – obwohl es das Werk Arendts nur partiell trifft –, wenn ein junger nach Haschisch gierender Punk-Poet entzückt, ja, emphatisch ausruft: „Ein ganzer Opium-Laden, dieser Arendt!“ / Jens Bisky, SZ 15.4.03 über
ERICH ARENDT: Kritische Werkausgabe. Herausgegeben von Manfred Schlösser. Band I, Gedichte 1925-1959. Band II, Gedichte 1960-1982. Agora Verlag, Berlin 2003. 432 und 416 Seiten, zusammen 86 Euro
„Die Schau ´Menschen sind Worttiere´ zeigt Arendt als wortgewaltigen Heimatlosen, der bei den Überen stets aneckte.“ ddp über eine Arendt-Ausstellung in der Kurt-Tucholsky-Gedenkstätte Schloß Rheinsberg (Die Welt 15.4.03) Am 15. April vor hundert Jahren wurde Arendt in Neuruppin geboren.
Die SZ vom 12.4.03 druckt die bissigen „Ratschläge für irakische Frauen“, ein polemisches Gedicht des Londoner Dramatikers Martin Crimp.
Wolfgang Friedrich Stammler, NZZ 12.4.03 über Zahiruddin Muhammad, auch Babur der Tiger genannt, Ur-Ur-Urenkel von Tamerlan, Begründer der Moguldynastie und erster Grossmogul von Indien, der auch ein bedeutender Dichter war (wenn auch hierzulande kaum bekannt) :
In diesen Versen kündigt sich an, welches die Motive seines Schreibens sein werden: seine Gefühle, Bedrängnisse, Leidenschaften. Zwei Jahre später, 1502, während einsamer und demütigender Tage bei seinem Onkel in Taschkent, fasst er seinen Zustand in die Verse: Kein treuern Freund als meine Seele hab ich je gefunden / Keinem verschwiegneren als meinem Herz mich je verbunden, und schreibt: «Diese kleine Ode umfasste sechs Reimpaare. Später schrieb ich alle meine kleinen Oden, die ich verfasste, in dieser Anordnung.»
Viele weitere sollten noch folgen. Die meisten während der 22 Jahre, die er in Afghanistan verbringt. Am Ende werden es über 400 Gedichte, die er zu einem zu seiner Zeit viel beachteten Diwan zusammenfasst. Eines seiner schönsten Gedichte notiert er einmal während eines Ausflugs in das Hochland von Gül-i-Bahar (Blüte des Frühlings): Mein Herz, ach es gleicht einer Knospe der Rose, der roten, / Verschlossen ruht seine Flamme wie in der Knospe die Blüte. / Wäre auch tausendmal Frühling und hauchte es an, / Wie sollte je mein Herz zur Rose erblühn?
Hier auf Englisch Auszüge aus seinen Erinnerungen.
„Auch ich habe meine Achillesverse“ (Brecht). Babur auch, wie eine Website namens „Hall of shame“ zeigt:
Babur’s Own Words on Killing Hindus:
For the sake of Islam I became a wanderer,
I battled infidels and Hindus,
I determined to become a martyr
Thank God I became a Killer of Non-Muslims!
Die schneidende Stimme des Kritikers von einst klingt plötzlich erstaunlich sanft und mild. Sein Sarkasmus, der zuweilen schon zynisch klang, hört sich hier eher melancholisch an. Die Ironie scheint noch spielerischer. Nichts ist ernst gemeint, aber alles wird ernst genommen. Wieder einmal: ein Zeichen der Zeit. Enzensberger wusste eben immer schon, wo es lang geht*). Und er weiß es immer noch. Seine Gedichte haben ihren diagnostischen Charakter behalten. Ihnen ist die deutsche Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg – als Erfahrung – eingeschrieben. Wie ein Spürhund nahm der Dichter die Witterung auf, stets die Nase im Wind, manchmal, schien es, auch sein Fähnlein. Doch Enzensberger wäre nicht Enzensberger, hätte er nicht immer genauestens kalkuliert. Er vertraute zwar oft seiner Intuition, doch er verließ sich nie auf sie. Mit analytischem Verstand, mit logischer Stringenz und seinem seismographischen Gespür für sich andeutende Entwicklungen las er an den sinnlichen Erscheinungen die soziale Bedeutung ab. / Martin Lüdke, FR 12.4.03
Hans Magnus Enzensberger: Die Geschichte der Wolken. 99 Meditationen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2003, 146 Seiten, 19,90 €.
*)Bei seiner jüngsten Attacke gegen die Kriegsgegner weiß er dann genau, wo´s lang gegangen ist. Kein Thema hier!
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