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273 Wörter, 1 Minute Lesezeit.
Wenn man einmal mit den Jubiläen anfängt, kommt man nicht wieder raus. Heute vor 200 Jahren starb in St. Petersburg die Dichterin Elisabeth, russisch Jelisaweta Kulman. Sie war fürwahr ein Wunderkind, sprach und schrieb viele Sprachen perfekt und dichtete in mindestens dreien: Russisch, Deutsch und Italienisch. Nicht mal ebenso ein paar Kleinigkeiten, sondern jeweils ein paar hundert Seiten. Goethe und Ingold haben sie gelobt, Robert Schumann hat sie vertont. Sie starb mit 17 Jahren, irgendwo hab ich sie mal eine Schwester der Sibylla Schwarz genannt.
Elisabeth Kulmann
(russisch Елисавета Борисовна Кульман/Jelissaweta Borissowna Kulman; * 5.jul./ 17. Juli 1808 greg. in Sankt Petersburg; † 19. November jul./ 1. Dezember 1825 greg. ebenda)
Hier eins ihrer deutschen Gedichte (eins, das mich an ihre ältere Schwester in Greifswald erinnert im Geist und in der Motivik).
Meine Lebensart.
In der ganzen Stadt ist keine
Hütte kleiner als die meine;
Für mich ist sie groß genug.
Noch viel kleiner ist mein Gärtchen,
Ich nur gehe durch sein Pförtchen;
Doch auch so ist’s groß genug.
Zweimal setz’ ich mich zu Tische,
Etwas Fleisch, Kohl, Grütze, Fische;
Hungrig ging ich nie zur Ruh.
Ja, im Sommer, ess’ ich Beeren:
Him- und Erd- und Heidelbeeren,
Oft kommt eine Birn dazu.
Bisher hatt’ ich stets zwei Kleider;
Viele Menschen haben, leider!
Eines nur, und das noch schwach,
Klagen wäre eine Sünde!
Arm ist nur der Lahme, Blinde,
Und die Waise ohne Dach.
Aus: Gemäldesammlung in 30 Sälen, Erster Saal, Nummer 5. In: Elisabeth Kulman, Sämmtliche Dichtungen. Herausgegeben von Karl Friedrich von Grossheinrich. Frankfurt a. M. : H.L. Brönner, 1851, S. 8. (Man muss ziemlich lange blättern bis dahin, weil eine lateinisch nummerierte Biografie vorangeht).

Erinnert mich sehr an die russichen Dörfer, in denen ich in den 90er Jahren eingeladen war. Schön! – Es beschreibt ein ganz bestimmtes russisches, ländliches Lebensgefühl, das hoffentlich Putins Lügen und Kriegshetze übersteht.
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