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409 Wörter, 2 Minuten Lesezeit.
Ekkehard und Wilfriede Maaß veranstalteten seit 1978 in ihrer Wohnung in Ostberlin inoffizielle Lesungen und Konzerte. Viele Besucher kamen, nicht nur die Autoren und Künstler der Untergrundszene, sondern auch prominente DDR-Autoren und Künstler wie Armin Müller-Stahl, Rainer Kirsch, Volker Braun, Helga Königsdorf und Christa und Gerhard Wolf sowie Besucher aus dem sozialistischen und nichtsozialistischen Ausland wie Bulat Okudshawa und Allen Ginsberg. Die Stasi war auch immer dabei und produzierte Anwesenheitslisten und Berichte. Peter Böthig hat eine umfangreiche Dokumentation herausgegeben mit Bildern, Texten und Spitzelberichten. Daraus heute von einer Lesung von Uwe Kolbe vom 29. März 1981 sowie von einem späteren Spitzelbericht.

Uwe Kolbe
»GEDICHTE, DACHT ICH, WERDEN NACHTS GESCHRIEBEN«
Ja, manchmal stimmt's, der platte Tag verdreckt
Die Hoffnung, klebt mit Losungen dem freien Auge
Jede Tiefe, jeden Schatten zu, umstellt
Die blütenfeste drillichfein, der panscht den
Wein zu Wasser, lobt Inzest von Hemdenblau
Und Bindenrot und uniformem Blaugrüngrau, der
Übt den Stechschritt, pflegt die Tradition,
Der treibt geschickt zurück in irgendein Jahrtausend
Seinen Schüler, bis er nichts mehr sucht,
Der nimmt im Sommer kaum noch Abschied,
Herzt die Schwester, bis auch sie verstaubt,
Und morgens nur ins Lied der ersten Amsel
Fall ich ein und lüge uns ein wahres Liebeslied.
Aus: Peter Böthig (Hrsg.): sprachzeiten. Der Literarische Salon von Ekke Maaß. Eine Dokumentation von 1978 bis 2016. Berlin: Lukas Verlag, 2017, S. 60f
Information über die Gründung eines Bundes unabhängiger Schriftsteller auf Initiative von Uwe Kolbe (…) Die Absicht von Uwe Kolbe war es zum einen, ein soziales Absicherungsnetz zu schaffen, z.B. mit einer gemeinsamen Kasse, um Autoren, die in sozial unsicheren Verhältnissen leben, zu helfen, und zum anderen ein Informationsnetz zu schaffen, für den Fall, dass jemand verhaftet wird oder in einer anderen Art mit den Sicherheitsorganen in Konflikt gerät. D.h., dass in diesem Fall durch Anderson oder Elke Erb ein Verlag in der BRD benachrichtigt wird, mit der Bitte, eine Öffentlichkeit herzustellen (in westlichen Medien).
Notiz des bearbeitenden Stasihauptmanns:
Der IM berichtet ehrlich und zuverlässig. Info ist nur im MfS auswertbar. (…) Der IM wurde beauftragt, sich zielgerichtet weiter in dieser Gruppe zu integrieren, um den Kontakt zu (Name geschwärzt) und Endler auszubauen. Zielstellung ist es, ins Blickfeld des evangelischen Akademiepfarrers [Name geschwärzt) zu kommen, um den IM im Rahmen von Schriftstellerlesungen bei [Name geschwärzt] an die Familie heranzuführen.
Aus: Ebd. S. 61f
IM: Inoffizieller Mitarbeiter
MfS: Ministerium für Staatssicherheit
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