Schrei

186 Wörter, 1 Minute Lesezeit

Walther Eidlitz

B: geboren 1892 in Wien; Studium an der Technischen Hochschule; Teilnahme am Ersten Weltkrieg; lebte als freier Schriftsteller; Reisen; 1938 Emigration nach Indien; Internierung; 1946 Übersiedlung nach Schweden; gestorben 1978 in Uppsala

N: Hölderlin (1917), Der junge Gina (1918), Der goldene Wind (1918), Die Herbstvögel (1921), Bettina (1922), Der Berg in der Wüste (1923)

Aus dem zitierten Werk, s.u., S. 299

Schrei

Eine wilde Lokomotive schrie in der Nacht.
In den Häusern, in den Betten sind die Menschen aufgewacht.

In den Herzen, die sich hoben, zitterte der weiße Schrei.
In der Ebene, der dunkeln, riß sich ein Gefangner frei.

Durch die eisgefrorne Stille sauste er im fahlen Flug,
Roten Rauch auf seiner Stirne, leuchtend bleich, ein Leichenzug.

Mit den Kolben, die sich warfen, bohrte er sich ein mit Gier
In den grenzenlosen Abgrund. Und umarmend wie ein Tier

Schrie er: Du bist mein, du Erde, Meer und Lande, mein, du Nacht!
In den Häusern, in den Betten sind die Menschen aufgewacht.

Aus: Texte des Expressionismus. Der Beitrag jüdischer Autoren zur österreichischen Avantgarde. Hrsg. Armin A. Wallas. Linz, Wien: edition neue texte, 1988, S. 96

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..