Autofahren und Telefonieren

Gerald Jatzek

(* 1956 in Wien)

Automobilisti

Steuerknüppel, Steuerknüppel, plappert D'Annunzio,
Prinz von Montenevoso, im Seidenpyjama. Ein Huhn
verblutet auf dem Kühler des Atems Satans,
aber die Erektion bleibt aus.

Kringel malend lässt Apollinaire
sich zum Krieg kutschieren. Er begrüßt
das Neue: Luftkampf, Massenschlachten und bald
ein Schrapnell für seine Schläfen.

Marinetti rast als Geisterfahrer nach Salò:
Gefahr gebiert Poesie. Er brüllt
etwas mit Masse und Stahl, im Fahrtwind
wird daraus ein Raunen.

Brecht stottert im Steyr über die Landstraße
zur Revolution, ohne Koch, doch dialektisch. Für Ginsberg
kreischen Engel auf dem Weg in die Umarmung
des ausgesprochen männlichen Lenkers.

Carl Sandburg, mehr Sozialist als Brecht
sein wollte, sucht Amerika und verfährt sich.
Kein Banjo scheppert, und das nächtliche Feuer
lädt statt zum Kommen zum Gehen.

Schließlich ist Gott wie immer einig
mit Nicanor Parra: Der Sinn des Lebens
ist Autofahren und Telefonieren. Selbstverständlich
gilt genauso gut das Gegenteil.

Aus: Jahrbuch österreichischer Lyrik 2022/23. Bernhardt, Alexandra (Herausgeber). Wien: Edition Melos, Dezember 2023, S. 96

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