Johann Jakob Dusch (1725-1787)

Heute vor 300 Jahren wurde er in Celle geboren. Er war offenbar kein bedeutender Dichter. Lessing verspottete ihn. Immerhin hat er eine Spielart des deutschen Alexandriners erfunden (über die Franzosen vermutlich wieder spotten würden), nämlich einen Alexandriner mit weiblichem ersten Halbvers, also Zäsur nach der 7. statt der 6. Silbe (im Beispiel am Anfang und Schluss):

Wie zärtlich klagt der Vogel und ladet durch den Hayn,
Den kaum der Lenz verjüngert, sein künftig Weibchen ein!
Doch, wenn durchs heiße Feld die Sommerwinde keichen,
Das Laub sich dunkler färbt, die dürren Aehren bleichen;
So endigt Vatersorge die Tage des Gesangs,
Und Fleis besetzt die Stunden des süßen Müßiggangs!

Meine Überzeugung ist sowieso, dass man auch in unbekannte und „unbedeutende“ oder für unbedeutend gehaltene AutorInnen gelegentlich hineingucken sollte. Hier ein Zitat aus einem Lehrgedicht, das ich ganz vergnügt gelesen habe. Es ist in gemischt herkömmlichen und Duschschen Alexandrinern geschrieben.

Johann Jakob Dusch

(* 12. Februar 1725 in Celle; † 18. Dezember 1787 in Altona)

Das, was die neue trägt, verlacht die alte Welt,
Europa tadelt oft, was Asien gefällt.
Ein jedes eignes Volk hält seine Regeln besser,
Und Gottesdienst, und Tracht scheint der Vernunft gemäßer.

Wie kommts, daß Pechins* Schönen nicht ohne Straucheln gehn? | *(Pekings)
Weil die Chineser glauben, ein kleiner Fuß sey schön.
In Fesseln bildet man des Mädgens zarte Füße,
Und sorgt nicht, daß sie einst auf Vieren kriechen müsse.
Die Höckernation, die Gulliver ersann,
Sieht grade Europäer für Mißgeburten an.
So äfft ein alter Wahn mit Sätzen und Gestalten,
Die wir für die Natur und für die Wahrheit halten.
Der Lehrer nahm es an, gestützet zwar auf nichts;
Der Schüler fand Beweis; dies starke Wort: er sprichts.
Der Vater ließ dem Sohn ein erbliches Vermögen,
Den Glauben, und sein Geld, den Irrthum, und den Segen;
Und dieser, dem Geheiß des Vaters unterthan,
Empfing, mit gleicher Lust, die Güter und den Wahn.
So ward und wuchs der Wahn, so wie durch neu Gewässer
Ein Strom im Laufe schwillt, und wird im Gehen größer.
Daher zieht, jede Welt, Barbaren Africa,
Europa Christen auf, und Türken Asia.
Und jeder Lehrer sät der eignen Meinung Samen,
Und Secten stehen auf, getauft mit seinem Namen:
(...)

Arbeite dich im Schwall der Meinungen empor (...)

Ah ja, unbedingt! Heute eher mehr denn je.

Hier das ganze Gedicht, Versuch von der menschlichen Vernunft und ihrem Gebrauche http://www.zeno.org/Literatur/M/Dusch,+Johann+Jakob/Gedichte/Drey+Gedichte/Versuch+von+der+Vernunft+und+ihrem+Gebrauche

4 Comments on “Johann Jakob Dusch (1725-1787)

  1. Wie ich aus dem von Dir, Micha, empfohlenen Albertson erinnere, markiert A. am Einstreuen „weiblicher“ erster Halbverse in den Alexandriner den Übergang zum Versempfinden der Romantik.

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  2. Dusch verwendet offensichtlich die ursprüngliche (mittelalterliche) Form des Alexandriners, bei dem jeder Halbvers sechs oder sieben Silben haben kann, je nachdem ob die Kadenz männlich oder weiblich ist (insofern mischt er nicht zwei unterschiedliche Typen). Genau diesem Schema folgen noch bis heute die italienischen, katalanischen und spanischen Alexandriner, während die französischen schon ab dem 16. Jh. die Möglichkeit einer »überzähligen« unbetonten/stummen siebten Silbe vor der Zäsur abschafften – die deutschen Alexandriner folgtem diesem Usus.

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    • Danke für die interessante Perspektive. In Deutschland hat man sich überwiegend auf die französische metrik gestützt und hielt Dusch für den Erfinder dieser Variante. Zum Beispiel Sulzer, Theorie der schönen Künste 1771: „Herr Dusch hat eine Veränderung in demselben angebracht, indem er ihm weibliche Abschnitte gegeben“.

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