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Veröffentlicht am 27. März 2024 von lyrikzeitung
Halyna Petrosanyak
(geboren 1969 in den ukrainischen Karpaten, lebt in der Schweiz)
Aus dem Zyklus «Brücke aus Papier. Hebräisches Galizien»
3.
In Stanislau vor dem Krieg
war ich bekannt mit der Tochter des Dr. Horn
der in der Kopernikus-Strasse wohnte
befreundet mit den Kindern des Sulim Sussman
fast verliebt in den jungen Horowitz
besuchte den Gottesdienst das Pastors Zöckler
in der Evangelischen Kirche
in der Knjahynyna-Kolonie
und von meinem Fenster aus lauschte ich des Öfteren
dem göttlichen Gesang des Kantors
der Tempel-Synagoge
Ich habe mir die Vergangenheit in Erinnerung gerufen
aber in der Kopernikus-Strasse steht wahrhaftig
bis heute das Horn-Haus
unweit des jüdischen Friedhofs an der Bahnstrasse
liegt der Grabstein von Sulim Sussman
und das Horowitz-Haus ist bis heute
eine Zierde meiner Stadt
die Steine haben
die Weltordnung
die Leichen überdauert
Mich hält die Hoffnung
dass die Seelen
auch die härtesten Steine
überdauern werden.
Villa Waldberta, 2011
Aus dem Ukrainischen übersetzt von Alois Woldan, aus: Halyna Petrosanyak, Exophonien. Gedichte. Mit einem Vorwort von Ruth Schweikert. Zürich: alit – Verein Literaturstiftung, 2022, S. 58 (essais agités, Band #8, Reihe Weltenliteratur)
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Kategorie: Schweiz, Ukraine, UkrainischSchlagworte: Alois Woldan, Halyna Petrosanyak
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