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Veröffentlicht am 7. März 2024 von lyrikzeitung
Jürgen Theobaldy
(* 7. März 1944, heute vor 80 Jahren, in Straßburg)
Rilke-Abend
An einem dieser altbekannten
langen Winterabende
setzte sich Rilke an den Sekretär
um einen seiner berühmten
langen Briefe zu verfassen
Doch fiel ihm diesmal nichts ein
und er knipste das Radio an
hörte eine Feuilletonsendung
schrieb schließlich: «Oh Radio
treuer Gefährte langer Winterabende
an denen ich ein kaltes Eis am Stiel bin!»
Das geschah
kurz bevor er seine Sympathien
für die Münchner Räterepublik entdeckte
Aus: Jürgen Theobaldy, Blaue Flecken. Gedichte. Mit Zeichnungen von Berndt Höppner. Reinbek: Rowohlt, 1979 (7.-8. Tsd.), S. 70
Mein, Exemplar, antiquarisch erworben, ist von der 3. Auflage, die 1. von 1974, die Erstausgabe, erschien in 4000 Stück, 1976 und 1979 wurden je 2000 nachgedruckt. Ein Dani hat es acht Jahre nach Erscheinen einer Katharina geschenkt und mit Kugelschreiber eine Widmung hineingeschrieben, worin er sie zum Schreiben auffordert, „Du kannst es“. Ob sie der Aufforderung gefolgt ist, weiß ich nicht und auch nicht, was aus Dani und Katharina geworden ist. Auf der Titelseite hat jemand ein mit „D.K.“ unterzeichnetes Gedicht hineingeschrieben. Es geht nicht nur um die Dichter, wenn wir ihre Bücher lesen.


Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Jürgen Theobaldy, Rainer Maria Rilke
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Gefällt mir überhaupt nicht. Witz – zumal gegen ungleich Größere – muss doch mehr Geist aufbringen als nur so ein bisschen Verhohne-People-ung.
Einerseits wird das Gedicht Theobaldys Qualitäten nicht gerecht, der hier in einem schwachen Moment erwischt scheint; andererseits wegen dem Ron Padgett Gedicht vom 3. März zuvor, das nicht nur die Fallhöhe, sondern gekonnt-und-wie-nebenbei auch noch die Trademark Padgetts aufzeigt und beweist.
Dazu ist selbst diese Art ’neue deutsche Lockerheit‘ bei Theobaldy selbst importiert (ein Tonfall leider zu oft zu finden in „Neue amerikanische Szene“ etc., folgerichtig dann beim early adopter RDB, der dann oft genug den Jungdichtern von Seinerzeit durch die Zeilenbruch lugte).
Und mit Leichtigkeit (siehe auch Deutsch-Pop: Gerade wenn er originell daherkommen will, klingt er fast immer entweder angestrengt, kitschig oder epigonal) tut sich das Deutsche (die Ausnahmen geschenkt) bis heute schwer. Ist ja auch nicht schlimm: Die Deutschen müssen ja nicht bei allem Weltmeister sein.
Falls es wen interessiert wie man sich dem <a href=“ https://www.theguardian.com/books/2023/sep/04/poem-of-the-week-september-castles-by-peter-davidson„>Rilke-Herbst-Komplex</a> noch nähern kann. Auch die Kommentare kenntnisreich und höchst lesenswert!
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Ich stimme Ihnen zu, was die amerikanischen Einflüsse betrifft. Aber ich finde das Gedicht nicht misslungen. Und Parodie nicht Verhohnepiepelung. Um etwas zu parodieren, muss man es ernstnehmen.
Außerdem finde ich die Vorstellung, dass Rilke Radio hört und darüber schreibt, amüsant, aber nicht ehrverletzend. Und es erinnert mich daran, dass Rilke in einem poetologischen Text ergriffen über den Nachbau des Grammophons durch einen Lehrer schrieb.
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Könnte es nicht auch eine Dani(ela) gewesen sein?
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Auch wahr
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Ja, da hast du recht mit deinem letzten Satz. Schön, wenn ein Buch manchmal auch über den Dichter und seine Texte hinaus anregt…
Von meinem iPhone gesendet
>
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immer wieder großartig (und ein bisschen traurig): es gab Zeiten, da hatten Lyrikbände mehrere Auflagen mit insgesamt 8000 Exemplaren
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Gefällt mir, dass jemand sich sowas traut ..mit dem Säulenheiligen Rilke 😉
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