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Der Schweizer Salomon Gessner oder Geßner gilt als Erfinder des Prosagedichts. Er schrieb seine Idyllen in Prosa, daneben aber auch ein paar Gedichte in Versen, wie diese als Fragment gedruckte Verserzählung in reimlosen Jamben. In ihr wird erzählt, wie der Knabe Amor an einem See „ein nakend badend Mädchen“ sieht: „drum schlich er an das Uffer, / das Mädchen zubesehen.“ Ihr Körper wird liebevoll im Detail beschrieben. In der Mitte des Gedichts ist eine Auslassung oder nicht ausgearbeitete Stelle durch Striche markiert, aber der Schelm plaziert zugleich in die Auslassung die laszive Andeutung, dass die Wellen des Sees von den Knien aufwärts steigen … und …:
Die wällen hüpften freudig,
umschwangen ihre Knie
und stiegen in die Höhe,
– – – – – – – – – –
und hüpfeten in Kreyßen,
in silberfarbnen Zirkeln.
Das Mädchen bemerkt den Knaben Amor und bespritzt ihn mit Wasser. Amor revanchiert sich mit einem seiner berühmten Pfeile, das Mädchen rennt erschrocken ans Ufer, um den eigenartigen süßen Schmerz zu besichtigen. Jetzt kommt die Erzählinstanz ins Spiel, es ist nämlich noch jemand am Ufer versteckt, ein junger Mann, der sich gleich erbietet, die Wunde zu heilen, etc. Rokokodichtung.
Salomon Gessner
(* 1. April 1730 in Zürich; † 2. März 1788 ebenda)
[Fragment einer Verserzählung]
Die Sonne war in Westen,
schon von den hohen Bergen,
das Gold der Abendröthe,
erblaßte an dem Himmel[,]
des Mondes schwächre strahlen,
besilberten die Erde.
Alß Amor schon bewaffnet,
in jennem düstern wäldchen,
durch dunkle Schatten irrte,
wo öfters zwey verliebte,
in grünen Schatten scherzen,
wo manches schönes Mädchen,
in Blumen ausgestreket,
den ihm getreuen Hirten,
mit Ungedult erwartet,
wo Kleiner Vögel Chöre,
der Liebe Lob besingen.
In mitte dieses Wäldchens,
versameln alle Bäche,
die sich durchs wäldchen schlängeln,
in einem See die wellen
ihr feuchtes Uffer küssend
Hier, hier sah er ein Mädchen,
ein nakend badend Mädchen,
drum schlich er an das Uffer,
das Mädchen zubesehen.
Die weißgewölbte Stirne,
umkränzten schwarze Locken,
mit denen Zephir scherzte,
und sie um Halß und Brüste,
mit sanftem säuseln schwang,
Es glühte auf den Wangen,
der purpur junger Roßen,
die Kleinen zarten Lippen,
umflatterte die Anmuth,
der schwarzen Augen Feuer,
war reitzend und entzündend,
der Leib war schön und prächtig,
geschlank, und weiß wie Lilgen,
wie man die Venus bildet.
Die wällen hüpften freudig,
umschwangen ihre Knie
und stiegen in die Höhe,
– – – – – – – – – –
und hüpfeten in Kreyßen,
in silberfarbnen Zirkeln.
Das Mädchen sah den Amor,
den es noch nie gekennt,
Es sprach, du kleines knäbgen,
Geh, oder, wann ich komme,
so spriz ich dich mit Wasser.
Doch Amor lächelt schalkhaft,
lähnt sich auf seinen bogen,
und bleibt am Uffer stehen;
Das Mädchen klatscht ins wasser,
biß Amor ganz betreufelt,
so, wie die Rose glänzte,
die ganz beperlet glänzet,
wenn sie bey hellem Morgen,
das frische Tau befeuchtet.
So wie die kleine Lerche,
wann sie die Regentropfen,
von bunten Federn schütelt,
so schütelte sich Amor
die Tropfen abzusprizen.
Drauf sagt er freundlich lächelnd,
Mein kind du kannst im sprizen,
gewiß sehr artlich treffen,
doch sieh, kann ich im schießen,
dich auch so artlich treffen.
Drauf langt er in den Köcher,
und legt auf seinen Bogen,
ein glänzend scharffes pfeilchen,
kaum zischt es durch die Lüfte,
so staks schon in dem Herzen;
des Schreken vollen Mädchens
das eilends aus dem wasser,
ans nahe Uffer flohe
und in dem düstern Wäldchen,
geheim den orth besah,
wo ihns der pfeil getroffen.
Was, sprach es, fühlt mein Herz,
Es ist kein rechter Schmerz,
Er schmerzt, doch ist er süß,
Ein plagendes vergnügen,
was ist nun dieses alles?
Ich hörte diese Worte,
Dann ich stak im Gebüsch,
wo dieses Mädchen klagte,
komm, sez dich auf die Blumen,
sprach ich mein schönstes Mädchen,
ich heil dir deine wunde.
Die Schaam mahlt seine Wangen,
mit reizend schönem purpur,
alß es mich reden hörte,
es wollte schüchtern fliehen,
allein ich hielts zurüke,
und fieng es an zuküssen,
da fieng es an zulächeln,
und foderte durch küsse,
von mir noch ville küsse,
wir küßten bis wir sinkend,
uns auf die blumen legten, etc.
Quelle:
Salomon Gessner: Idyllen. Stuttgart 1973, S. 141-144.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20004828062
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