Nichts wird mir geschehen

Agi Mishol 

(* 20. Oktober 1946, einige Quellen nennen 1947 in Siebenbürgen, Rumänien, lebt in Israel)

SCHUTZRAUM

Jetzt wo rundherum Tod kriecht
und Pekannüsse sich in ihre Schalen drücken
verstecke ich mich im Hebräischen.
Nichts wird mir geschehen beim arglosen Schreiben
nichts wird mir geschehen
wenn ich mich von den Buchstaben aufnehmen lasse
wenn ich nicht über die Linie schreibe –
geschrumpft in einen kleinen Punkt
eingezwängt in ein o
oder den Bauch eines g
in einen tränenden Strichpunkt
eingegeiselt.
Geliebte heilige Sprache –
jetzt wo alles seine Zeit hat
alles Entsetzen ist
wo der Hain uns seine Früchte reicht
und die Erde gepflügt ist
tue ich nur was Rilke sagt:
lasse mir alles geschehen
Schönheit und Schrecken
ohne zu denken
daß sie endgültig sind.

Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer, aus: Sinn und Form 1/2024, S. 54

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..