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Veröffentlicht am 5. Oktober 2023 von lyrikzeitung
Der saarländische Lyriker Johannes Kühn starb am 3. Oktober im Alter von 89 Jahren. Hier ein Gedicht aus seinem Band „Ganz ungetröstet bin ich nicht“ von 2007.
DORFVERÄNDERUNG Wiedersehn mit dem alten Freund halt ich, der kann erzählen wie ein Brunnen, doch ich täusch mich, denn er klagt, als sei ich zu beschuldigen, fragt, wo die alten Kirschbäume hingekommen sind, und der alte Landweg mit braven Kieselsteinchen wurde schwarz aus Teer. Der verrohrte Bach schickt kein Murmeln mehr. Vögel sind ausgewandert, Gärten eingeebnet zu einem Platz für parkende Wagen. Ja, was hat er denn, so sieht es heut aus! Firmen mit vielen Arbeitern wirkten hier. Meint er, daß diese Flur, die verschwand, mir gehört, mir unterstanden hat? Ich bin kein Bürgermeister, ich ging durchs Dorf wohl früher auch beseligt hin. Stehn ließ ich den Freund. Unschuldig bin ich. Lang schon trag ich den Hut des Verlachten.
Aus: Johannes Kühn, Ganz ungetröstet bin ich nicht. Gedichte. Hrsg. Irmgard und Benno Rech. München: Hanser, 2007, S. 57.
Kategorie: DeutschlandSchlagworte: Johannes Kühn
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Danke!- Ein wundervolles Gedicht. Ohne die Herausgeber könnten wir dieses Gedicht nicht lesen. Johannes Kühn hat selbst kaum etwas für die Verbreitung seiner Lyrik getan. Er lebte ganz für sich und seine Poesie.
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