Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Zum 120. Geburtstag des französischen Schriftstellers Raymond Queneau, der vor allem als Oulipot bekannt wurde (Stilübungen; Zazie in der Metro; Hunderttausend Milliarden Gedichte) ein Auszug aus seinem surrealistischen Frühwerk.
Raymond Queneau
(* 21. Februar 1903 in Le Havre; † 25. Oktober 1976 in Neuilly-sur-Seine bei Paris)
Aus: Elfenbeintour* (...) Das Gerippe dieser Monstren eingestürzt Aus seinem Staub entfliehen goldene Vögel Freude der Federn Schnelligkeit der Flügel Schleppe aus Juwelen die den Augen Verliebter entfliehen Exaltierte Flammen durchsichtige Nacken Brüste der Sanftheit Sternentorsos Wachsame Wächter des schmeichelnden Morgenrots Des kristallinen Morgenrots des immerwährenden Morgenrots Panther mit blauem Fell Die Liebe entsteht aus den Begegnungen eine Krake frißt den Regenbogen Ein parfümiertes Käuzchen schützt mit seinem Flügel Die ironischen Gespenster und die Freunde des Verbrechens Die geschwärzten Abhänge der Pflicht zerbröckeln beim Beben der Müdigkeit Noch einmal hat sich die Dämmerung in der Nacht verloren Nachdem sie auf die Wände geschrieben hat ES IST VERBOTEN NICHT ZU TRÄUMEN In »La Revolution Surrealiste«, Nr. 9/10, Okt. 1927
Deutsch von Eugen Helmlé, aus: Das surrealistische Gedicht. Hrsg. Heribert Becker, Édouard Jaguer und Petr Král. 3. korr. ju. erw. Aufl. Frankfurt/Main: Zweitausendeins, 2000, S. 1108
(*) Im Original Wortspiel: Le Tour de l´Ivoire heißt Die Elfenbeintour und spielt auf den Elfenbeinturm (Tour d’ivoire) an.
Hier gibt es eine englische Übersetzung des kompletten Texts. Hier die Doppelseite der Originalpublikation von 1927:
„Es ist verboten nicht zu träumen“
An dieses Verbot
wird sich niemand halten
der seine eigenen Träume
auf dem Gasherd
tagtäglich selber braut
LikeLike