Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 23. Mai 2020 von lyrikzeitung
Max Herrmann-Neiße
(* 23. Mai 1886 in Neiße, Schlesien; † 8. April 1941 in London)
Unserer Ohnmacht Grabgesang
Ob wir auch zürnen — wir vermögen nichts!
Und keine Schindel fällt um uns vom Dache;
wenn ich auch noch so spöttisch ihrer lache
und nehme sie zu Narren des Gedichts:
Sie ordnen mich wie eine fremde Sache
kühl in die Kästen ihres Weltgerichts,
sie zählen meines herben Angesichts
jedwedes Zucken in geheimer Rache.
Ob wir auch zürnen – wir sind stets besiegt!
Sie sielen sich gesättigter im Seichten
mit Glatzen, die der Henkersruhm beglänzte.
Wenn unser Leben unter Leid erliegt
und keucht in Krämpfen nach dem Nie-Erreichten,
so prangen unverwüstlich ihre Wänste.
In: Max Herrmann-Neiße, Schattenhafte Lockung. Gedichte 3. Frankfurt/Main: Zweitausendeins, 1990 (2. Aufl.), S. 191
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Max Herrmann-Neiße
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare