Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Sie entwickeln einen eigentümlichen Sog, diese langen Gedichte von Thomas Kunst. Es ist dieser besondere Ton. Da spricht einer, erzählt, bekennt, man lauscht gebannt. Lässig fließt es ein Stück in vertrauten Redewendungen, doch, zack, stößt man auf solch sperriges Sprachtreibgut: „unter der steifen Ausschöpfung / Eines jeglichen Muskelsüdens“. Man stutzt, wendet‘s um und um, aber es bleibt rätselhaft. Und so etwas findet man reichlich: „hochgebundener Schnee“, „Kabinenwurzeln“, „Mondänes Tennisgeklimper mit Küste und /Harten Möwen“ oder „Garantien der Ausgekratztheit“. Aber manche dieser verrückten Wortmontagen verbreiten unversehens ein erhellendes Licht: „Glücksgewebe“ zum Beispiel. So hat man das noch nie gehört, aber ja, es stimmt. Und dann begegnen einem Wortfügungen, die wunderbar leuchten: „Berührungen sind Trümmer, kein Besitz“ zum Beispiel findet man in einem der Sonette, die in geforderter Strenge zu bauen dieser Dichter souverän beherrscht. Ein Gedicht beginnt: „Du musst mich diese rauschhaften Feste schon zu Ende feiern lassen“. Vielleicht sind diese Verse vor allem dies: rauschhafte Feste der Poesie. (…) Die wichtigsten Gedichte des in Stralsund geborenen, seit 1987 in Leipzig lebenden Autors finden wir in einem Auswahlband, ein Geschenk des Dresdner Verlegers Helge Pfannenschmidt (Edition Azur) zum 50. Geburtstag von Thomas Kunst. (…) Was Thomas Kunst in der Dichtung der Gegenwart vermisst: „Kühnheit, Frechheit, Phantasie, Dreistigkeit“. Und auch Dreck gehört für ihn in die Literatur. Gar nichts jedenfalls hält er von einer theoretisch überfrachteten Lyrik. So ätzt er hin und wieder in seinen Versen gegen Universitäten. Einfacher zu werden, danach strebt er: „daß man das fast nicht mehr für Dichtung hält“. / Tomas Gärtner, Dresdner Neueste Nachrichten 29.06.2015
Thomas Kunst:
Kunst. Gedichte 1984–2014.
Edition Azur.
144 S.,
20,00 Euro
Neueste Kommentare