Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 9. Juli 2015 von lyrikzeitung
Im ersten Gedichtband, «Die unvollendete Liebe» (1949), wird noch «Tröstung» gesucht; da hört das lyrische Ich sich «unentwegt Gebetlein sagen», und «Mutlos singt das ungeschützte / Klageantlitz zu den Sternen». Rilke und Hölderlin sind da, und das Vokabular kommt oft aus der Kirchensprache, dem einzigen Hochdeutsch, das im Dorf zu hören war. Meist noch in «Demut» soll «Gottes Ohr» erreicht werden. Als dann die irdische Liebe zu Werner Berg ausbricht, «zum dreifachen Laut deines Namens», da explodiert auch die Sprache, ihr Sinn, ihre Form. Das weibliche Ich bettelt nun hochmütig um Glück und randaliert vor Gott und der Welt: «Horch! das ist die leere Bettlerschale, / halb aus Lehm noch, aber halb schon Stein, / und sie trommelt dir bei jedem Mahle / Hungerlieder zwischen Brot und Wein.» So beginnt das Titelgedicht von «Die Bettlerschale» (1956), in der die lyrischen Bilder meist noch bestürzend konkret sind: «Mein Schälchen freilich war ein Sieb», vermerkt die zornige Bettlerin.
Wie Sprengkörper detonieren die Anfangsverse in den titellosen Gedichten, mal in grell ironischer Hohnrede («Wie pünktlich die Verzweiflung ist»), mal in poetisch dunklem Raunen («Steig in den zornigen Brunnen hinab»). Glaube, Liebe und Hoffnungslosigkeit, Katholizismus, Armut und Aberglaube sind Lavants Minenfelder. / Franz Haas, NZZ
Kategorie: Österreich, DeutschSchlagworte: Christine Lavant, Franz Haas
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare