Sehr

Ohne Frage, in Angelegenheiten der Rhythmik, des Reims und der Lautmalerei („schwirren in scharen, im warmen mief,/ wimmeln am schwangeren nil im schilf“ u.s.w.) kann Sina Klein mit jedem Rapgesang und Ringelnatz, mit jedem Morgenstern und Mallarmé mithalten. Auch ihre Metaphern und Bildwelten bezieht sie zum Teil aus dem Fundus der lyrischen Tradition, und nicht selten watet das lyrische Ich knietief durch barock oder schwül-düster anmutende Szenerien, um dann doch neckisch Purzelbaum zu schlagen. Typisch z.B. diese Zeile, die hehr anfängt: „und als der rubin mir fieberschwach“ – um dann sich selbst zu ironisieren: „in den limbus kracht.“
Die Spannweite der Gemütszustände ist sehr, um es august-strammisch zu sagen: mal ballen sich die Texte, mal hängen sie gedankenschwer nach, ab und an verkeilen sie expressiv. Stärke und Vorliebe Kleins sind dabei Kürze, Prägnanz und die kokette, jähe Wendung.
Man steht vor ihren Gedichten ein bisschen wie Eckermann vor den Skizzen und Stichen, die ihm Goethe zur Begutachtung vorlegte – und soll nun immerzu staunend ausrufen: schau diese Ligatur, schau dieses Brunftestück, schau diese Arabeske, wundervoll! Und fast immer runden sich die Gedichte zur kleinen prallen Kugel, die zielsicher auf der Wurfscheibe aufschlägt. / Hendrik Jackson bei Signaturen

Sina Klein: narkotische kirschen. Gedichte. Wien (Klever Verlag) 2014. 102 Seiten. 15,90 Euro.

One Comment on “Sehr

  1. Wer Morgenstern läse, bliese sich nicht so fies selbst sich Käse ins Hirn.

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