14. Was siehst du? Und was machst du mit dem, was du siehst?

Aus einem Gespräch, das Viktor Fritzenkötter und  Sarah Schuster auf Faustkultur mit Marcus Roloff über seinen in Kürze erscheinenden vierten Band führten

Wie finden Sie Ihre Themen?

Ich bin etwas traumatisiert, so habe ich zumindest das Gefühl, aber im besten Sinne. Ich bin zu DDR-Zeiten noch übergesiedelt. Meine Eltern haben ‘85 den Ausreiseantrag gestellt, der im Sommer ‘89 bewilligt wurde, d.h. ein Vierteljahr vor der Öffnung. Dieses „Rübergehen“ war so ein aufgeblasenes, auch semantisch aufgeblasenes, wichtiges Ding. Wir wurden mit der Ansage rausgelassen: »Ihre Kinder können zehn Jahre nicht hierher zurück«. Meine Eltern, glaube ich, 15 oder 20 Jahre nicht. Das führte zu einem komischen Katastrophengefühl. So sind wir mit zehn Koffern ausgereist. Das kommt in einem Gedicht vor, das eigentlich in den alten Band hätte kommen sollen, das ich aber noch einmal überarbeitet habe. Es heißt „zu hause²“ und hat genau das zum Thema. Das zählt wiederum zu den alten Themen, die ich jetzt kaum mehr behandle. Dieses eine aber kommt noch rein in den neuen Band. (lacht) Es hat mich in jedem Fall lange bewegt, dass ich rausgeschmissen wurde. Das war ein Bruch. Über die Gedichte habe ich versucht herauszufinden, wie tief dieser Bruch war. Schreiben soll natürlich nicht zum psychoanalytischen Laienspiel werden, kann aber zumindest die Schichten abtragen und schauen, was für einen wirklich wichtig ist und was nicht. Was ist nur Quatsch, was ist nur Konvention? Immer weg von den Konventionen, begrifflich, gedanklich, total – so dass man eben nicht die Erzählungen nachquatscht, an die man selber mal glauben wollte.

Tobias Amslinger hat in einer Rezension Ihres 2006 im Gutleut-Verlag erschienen Bandes Gedächtnisformate von poetischer Kartographie gesprochen.

Das hat er auch toll gesehen, weil gerade in den „Formaten“ sehr viel Mecklenburg drin ist. Ich benutze das Gedicht eben nicht dafür, eine sogenannte höhere Wahrheit in irgendeiner Form auszustellen wie ein Pfau seine Federn. Ich will einfach ein paar Sachen so, wie sie sind, im Gedicht haben, ohne sie zu verschönern. Ich will die Realität, ja, das ist auch so ein Ding, die Realität, Gott, aber eben das, was wir für real halten, genau anschauen. Das Sehen ist eine tolle Sache bei der Zusammenführung von Kunst und Gedicht, die ich immer wieder versuche. Was siehst du? Und was machst du mit dem, was du siehst?

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