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Seit bald dreissig Jahren ist der 1936 in Berlin geborene Paulus Böhmer als Apostel des langen Gedichts durch die Lande gezogen, aber erst jetzt, mit seinem visionären Wasser-Poem, hat er mit dem Peter-Huchel-Preis die Anerkennung erhalten, die er seit langem verdient.
Auf seinem Weg hat ihn stets der kleine Peter-Engstler-Verlag begleitet, der in Ostheim in der hessischen Provinz einen Stützpunkt für deutsche Adepten der Beat-Generation und andere eigensinnige Poeten errichtet hat. Böhmers im besten Sinne ausschweifende Gedichte, die er seit 1987 veröffentlicht, entfalten einen Furor des Diversen. Eine unglaubliche Vokabel-Vielfalt aus unterschiedlichsten Wissensgebieten wird mit Erinnerungsbildern und poetischen Zitatbrocken den Gedichten einverleibt, bis jener poetische Maelstrom in Gang kommt, den der Dichter in seinem Wasser-Poem so aufruft: «bin ein Wasserkopf, / der kaut und kaut, der kaut und kaut, nichts wiederholt, nichts schluckt, / nichts sich einverleibt, sondern kaut, bis jeglicher Sinn / sich zersetzt hat . . .»
Böhmer straft die missmutigen Kritiker, die ihm gerne eine «Ästhetik der Willkür» bescheinigen, Lügen. In seinem Poem zieht er alle Register traditioneller lyrischer Techniken. Sein Gedicht kommt als grosse Litanei daher, gleich einem Gebet, das seine Beschwörungsformeln beständig wiederholt. Er arbeitet ganz kalkuliert mit den Verfahren der Reihung sinnlicher, in der Lautgestalt und Morphologie oft bizarrer Wörter. Und er zelebriert die poetische Metamorphose seiner Hauptfigur. / Michael Braun, NZZ
Paulus Böhmer: Zum Wasser will alles Wasser will weg. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2014. 236 S., € 35.–.
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