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Vielleicht musste Farhad Showghi, der in Prag geboren wurde und seit einigen Jahren im Hamburg lebt, erst Umwege nehmen, um sein Kindheitsland Iran wiederzuentdecken – vielleicht ist das aber auch viel zu psychologisch gedacht. Denn fest steht in diesen Gedichten ohnehin recht wenig, die, gerne mit einer intrikaten Grammatik ausgestattet, ganz profane Alltagsvorgänge wie Schauen, das sich Bewegen, Essen und Trinken beschreiben.
Showghi wählt dafür die Spezialgattung des Prosagedichts. 67 davon finden sich in diesem Band, manche umfassen nur eine Zeile, über eine halbe Seite gehen sie nie hinaus. In ihrer lapidaren, ungebundenen Form wirken diese Prosagedichte erst einmal wie hingeworfen. Auch die Aufteilung in drei Kapitel wirkt willkürlich, liest man das dem Band beigegebene Inhaltsverzeichnis, wird es nicht gerade übersichtlicher, die Gedichtüberschriften (die tatsächlich Gedichtanfänge sind) muten austauschbar an: „Wir würden noch gern“, „Ich habe die Zeit“, „Lass uns nachschauen“.
Ist das fehlendes Konzept? Falsches Understatement? Oder aber gerät derjenige Leser, der hier nach äußerer Ordnung schielt, vielmehr auf den Holzweg? Letzteres ist natürlich der Fall. Denn Farhad Showghis Gedichte stehen nicht allein, und hier liegt vielleicht ein weiterer Grund für die Nähe zur Prosa. Diese Gedichte erzählen eine Geschichte, die tatsächlich am Stück gelesen werden kann. Mit bewundernswerter Langsamkeit, gleichsam in einer maximal entschleunigten Slow-Motion-Sequenz, spinnen sie ein Netz von Sinneseindrücken, Wirklichkeitsausschnitten und ganz nah herangezoomten Alltagsbildern: Vögel. Wäldchen. Verrutschte Wäsche auf der Leine. Kissenbezüge, Doppelfensterscheiben. Und immer wieder das Ich und der Umriss, die Ränder, Schultern, Hände, Finger, selten auch gegenübergestellte Personen – ein Vater, ein Sohn. / Fabian Thomas, Fixpoetry
Farhad Showghi
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