Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Was sagt der Heilige Augustinus nochmal gleich über die Zeit? »Wenn mich keiner danach fragt, so weiß ich, was es ist; sooft ich es jedoch einem Fragenden explizieren will, weiß ich es nicht«. Niemand hat Michael Krüger nach der Zeit gefragt. Gleichwohl funkelt in den Gedichten von »Umstellung der Zeit« (Suhrkamp Verlag Berlin 2013) ständig dieses äußerst verwickelte Rätsel oder »inplicatissimum aenigma«, wie es Augustinus bezeichnete. Der scheidende Hanser-Chef allerdings gibt keine Antworten. Vielmehr umstellt er das Rätsel mit Bildern seiner eigenen Verwunderung: »Was wir, nach langem Grübeln, / die Dichte des Lebens nennen, / stellt das Wort in Frage, / die Sprache versagt. / Die Dichte ist wortlos« (Michael Krüger: Der letzte Tag im August). (…)
Natürlich will man keineswegs die in »Umstellung der Zeit« versammelten Texte auf die Thematik der Zeit beschränken. Was ich hier vorgetragen habe, ist ein Vorschlag zur Zugangsweise. Dieser Vorschlag ist gewiss von meinen Lesegewohnheiten geprägt. Es ist ein möglicher Zugang unter vielen und beansprucht keineswegs mehr zu sein. Sicher aber ist: Es wartet eine Fülle an weiteren Motiven. Zahlreiche weitere Entdeckungen sind in diesem Band zu machen. So sind beispielsweise auch explizit gesellschaftskritische Texte darin zu finden (etwa Linsen in New York oder Schnee). Gleichwohl führen die Gedichte einen äußerst sinnlichen Ansatz an die Naturlyrik vor. Ich denke, Michael Krügers »Umstellung der Zeit« sollte in keiner anspruchsvollen Lyrikbibliothek fehlen und garantiert eine ästhetische Leseerfahrung, die die Frage des Menschseins in einer solchen Würde ausleuchtet wie wenig vergleichbare Lyrikbände dies tun. Das ist eine ganz große Leistung für unsere Zeit. / Paul-Henri Campbell, dasgedichtblog
Umstellung der Zeit
Michael Krüger
Suhrkamp Verlag Berlin 2013
129 S.
€ 18,95 (Gebundene Ausgabe)
€ 15,99 (E-Book)
Neueste Kommentare