Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 10. November 2013 von lyrikzeitung
Wenn Àxel Sanjosé von einem „Rätsel“ schreibt ˗„es ist nicht blau, es ist nicht bunt, / es ist nicht gross und auch nicht rund“ ˗, könnte damit immer auch das Gedicht gemeint sein. Denn die „zehn Beine“, die er erwähnt, mögen an die Versfüsse des Gedichts erinnern, und jenes „Loch“, das in seiner Mitte klafft, deutet darauf hin, dass es beim Gedicht weitaus Wichtigeres gibt als das Verstehen. „Wir kennen′s nicht aus der Natur“, heisst es einmal. Dafür kennen wir es bei Sanjosé aber aus dem Barock, aus der Romantik oder aus der Tradition der Haikus. Ganz unaufdringlich zeigt er noch im Stillleben, dass ein Gedicht aus Sprache gemacht ist. Und aus „Klirren“ und aus „Kuckucksfedern“ und aus „Singsang“. Àxel Sanjosé, der 1960 in Barcelona geboren wurde und seit bald 35 Jahren in München lebt, hat sich lange Zeit gelassen für seinen zweiten Band. Das vielleicht schönste Stück darin ist ein „südliches Sonett“, das in strenger Form den Schatten und den Staub eines sommerlichen Platzes aus den Worten hervorlockt, um sich bald schon dem „Rausch“ des Meeres hinzugeben. Wie hier das „Ich“ in den Silben nachklingt, wie es sich entfaltet und doch zugleich spürbar werden lässt, es könnte nichts sein als blosse Gischt ˗ das ist eine Kunst für sich, und keine kleine.
/ Nico Bleutge, NZZ vom 29.10.2013
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Àxel Sanjosé, Nico Bleutge
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare