In seinem Vorwort grenzt sich Ingold klar von den bisherigen Anthologien russischer Lyrik ab: Was er nicht will, ist «eine prachtvolle Monotonie, wo Meisterwerk sich an Meisterwerk reiht». Dies habe in den Anthologien der Vergangenheit zu einem «immergleichen Fundus an Meister-, also Ausnahmetexten» geführt. Demgegenüber will Ingold eine Auswahl bieten, die den Formbestand, die thematische Breite, die intertextuellen Bezüge und die Evolution der russischen Lyrik vorführt, ein hoher Anspruch, zumal jeder Autor bei ihm mit nur einem einzigen Gedicht vertreten ist. …
Ausserdem legt Ingold Wert darauf, gegen die grossen Namen anzuschreiben: so etwa gegen den Nobelpreisträger Joseph Brodsky, den er für überschätzt hält. Aber nicht immer zeugt das ausgewählte Textbeispiel von den Fähigkeiten derjenigen, die der Herausgeber in seinem Kommentar den Koryphäen entgegenhält, so etwa das Eingangsgedicht von Boris Ryshij. Wirkliche Entdeckungen dieser Anthologie sind Bella Achmadulina und Gawriil Batenkow. / Birgit Veit, NZZ
Felix Philipp Ingold: «Als Gruss zu lesen». Russische Lyrik von 2000 bis 1800. Dörlemann-Verlag, Zürich 2012. 536 S., Fr 45.50.


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