82. Krauses Gegenschlag

Klassischer geht’s nimmer. Noch immer (oder besser: wieder) ist „der Echtermeyer“ die deutsche Gedicht-Anthologie schlechthin. Seit 175 Jahren thesauriert sie nun schon das deutsche Schrifttum lyrischer Natur. Das begann schon in der Erstauflage „für die unteren und mittleren Classen gelehrter Schulen“ mit den Merseburger Zaubersprüchen und endete mit den neuesten Namen. Die waren 1836 Herwegh und Freiliggrath (dessen „Auswanderer“ mit ihrem unsterblichen Anfang „Ich kann den Blick nicht von Euch wenden; / Ich muss euch anschaun immerdar“ getreulich durch die Jahrzehnte mitgeführt wurde). Heute sind es die Damen Marion Poschmann oder Ann Cotten. Zumindest bis zur Nachkriegszeit hat diese Auswahl den immensen Vorteil, dass sie bringt, was noch lebt und in unser kollektives Gedächtnis eingelassen ist. Für die Zeit danach hätte man sich mehr Mut zur Schwerpunktsetzung gewünscht. All die routinierten Avantgarde-Adepten à la Haufs und Hilbig, Kling und Koziol hätte man getrost opfern können, um die wirklich wichtigen und unverwechselbar eingängigen Robert Gernhardt, Helga Novak oder Wolf Biermann vielfältiger zu präsentieren. / Tilman Krause, Die Welt*

Echtermeyer Deutsche Gedichte
Herausgegeben von Elisabeth Paefgen und Peter Geist. Cornelsen, Berlin. 942 S., 19,95 Euro.

*) Aber diskutieren lassen Sie das nicht: „WELT ONLINE hat den Kommentarbereich dieses Artikels geschlossen.“

2 Comments on “82. Krauses Gegenschlag

  1. Man kann sich allerdings auch über den Kommentar des Herrn Krause ärgern und sich am Kopf kratzen angesichts der von dort gespürten Lust am Abqualifizieren.

    Woher, lieber Herr Krause, die unverholene Feindseligkeit und Bissigkeit gegenüber Subkulturen?
    (beziehe mich hier auf: http://www.queer.de/detail.php?article_id=1871)
    Haben Sie, Herr Krause, etwas gegen Schwule, gegen Obdachlose, gegen Dichter die was versuchen? Das kann ich mir eigentich nicht vorstellen. Ich weiss nicht, ob Sie das lesen, Herr Tilman Krause. Ich kann nur vermuten, dass Sie ab und zu im Internet auch nach dem eigenen Namen googeln. Und da Sie unter ihrem echten Namen, Tilman Krause, im Internet auch ein wenig bloggen, lesen Sie ja vielleicht diesen Eintrag. Lieber Tilman Krause, gegen das sogenannte Bloggervolk kann man auch etwas haben, schon klar. Sie müssen aber keine Angst haben, aus der konservativen Ecke zu kommen und hier ihre Meinung kundzutun, Herr Krause. Woanders machen Sie das ja. Beispielsweise in diesem ihrem eigenen Text aus dem Suhrkamp-Bändchen (TUSCH!)

    „Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller?“:
    „Was die Menschen miteinander verbindet, ist vor allem das Gespräch. Mein literaturkritisches Schreiben ist Gespräch, will Gespräch sein und kommt aus dem Gespräch. Es handelt sich dabei nicht um eine „sacra conversazione“. Es darf ruhig laut und ruppig, verspielt und kokett, idiosynkratisch und obsessionell dabei zugehen. Es soll anregend, meinethalben aufregend ablaufen, und amüsant kann es auch ganz gern sein. Niemand, der guten Willens ist, wird ausgeschlossen, alle sollen sich beteiligen können, auf Einwände jeglicher Art bin ich gefaßt, und Zustimmung, welcher Art sie auch sei, ist gleichfalls willkommen.“

    (aus Tilmann Krause, „Literatur ist Gespräch“)

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  2. Man sollte vielleicht erwähnen, dass der wunderbare Verlag den noch lebenden Autoren weder Honorar noch auch nur einen Beleg übereignet.

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