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Christoph Schmitz: In der kolumbianischen Hauptstadt oder Großstadt Medellín wurde es gegründet, vor 20 Jahren: das mittlerweile größte Poesiefestival der Welt. Poesie gegen Gewalt, Verbrechen, Mord in einem krisen- und bürgerkriegsgeschüttelten Lande. Das Gedicht als Gegengewicht zum Tod, zum Drogenkrieg, um Stadt, Land und Menschen zu retten. Wie viel die Poesie im allmählichen Befriedungsprozess Kolumbiens geleistet hat, ist schwer zu ermessen, das Festival gibt es jedenfalls immer noch – zehn Tage lang Dichtkunst Dutzender Lyriker aus aller Welt zieht die Bevölkerung an. 2006 wurde es dafür mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Am Wochenende ist die jüngste Ausgabe zu Ende gegangen, aus Deutschland war der Lyriker und Romancier Uwe Kolbe aus Berlin dabei. Gestern ist er zurückgekehrt: Welche sind Ihre Haupteindrücke kurz nach dem Ende des Festivals und wieder zurück in Berlin?, das habe ich ihn zuerst gefragt.
Uwe Kolbe: Mir geht es in einem Punkt genauso wie all den anderen Autoren. Was auch immer zu Hause im Heimatland ist, zum Beispiel hier in unserer Kultur in Westeuropa, welche Rolle da Poesie spielt, insbesondere wie marginalisiert sie ist – wenn man einmal in Medellín/Kolumbien bei diesem Festival war, dann weiß man, wie es sich anfühlt, ein Star zu sein.
Schmitz: Das müssen Sie beschreiben – wie hat das Publikum reagiert?
Kolbe: Das ist in einem Amphitheater, in einem Open-Air-Theater, 2000, 3000 Leute, Zuhörer, offensichtlich sichtbar alle Schichten der Bevölkerung, also vom wirklich, von den Intellektuellen, von Oberschichtangehörigen sichtlich bis hin zu Leuten aus den Barrios, sensibel, wach, dabei reagierend auf jeden Satz, den man natürlich sagt in Ansprache an das Publikum, aber auch bereit, spontan zu reagieren auf Themen, auf Aspekte von Poesie, auf einzelne Gedichte zu reagieren mit sehr differenziertem Beifall, mit sehr differenziert … mit Bravorufen – es ist einfach verrückt.
/ DLF 20.7.
www.festivaldepoesiadeMedellin.org
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