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In der Wortkunst der deutschsprachigen Schweiz nimmt Eugen Gomringer – er ist 1925 in Bolivien geboren − seit Jahrzehnten eine dominante Stellung ein. Kein anderer hiesiger Dichter ist in Anthologien so stark vertreten wie er, keiner ist als Dichtungstheoretiker vergleichbar einflussreich gewesen, und keinem ausser ihm ist die Ehre zuteilgeworden, in Reclams Universalbibliothek mit einem eigenen Gedichtband vertreten zu sein. …
Wenn Gomringer nun, ein halbes Jahrhundert nach der hohen Zeit der «Konkreten», in zwei Büchern eine Sammlung von Sonetten vorlegt, mag sich dies zunächst wie eine späte Desavouierung seiner eigenen innovativen Anfänge ausnehmen, ist doch das Sonett eine althergebrachte, in sich geschlossene, dabei stets von neuem anwendbare Gedichtform – alles Qualitäten, die unterm Gesichtspunkt konkreter Dichtung obsolet sind.
Obsolet wirken allein schon die beiden Buchtitel mit den antiquiert vorangestellten Genitiven: «eines sommers sonette», «der sonette gezeiten». Um aber den Einwand der Antiquiertheit vorab zu entkräften, verweist Gomringer in einer Begleitnotiz darauf, dass auch beim Sonett «die strenge form als disziplin» praktiziert werde; dass auch hier «einer konkreten inneren einstellung eine bestimmte äussere form zu entsprechen» habe; und dass für ihn das Schreiben von Sonetten «ein neues experiment, ein ganz persönliches» geworden sei. / Felix Philipp Ingold, NZZ 12.5.
eugen gomringer / markus marti: eines sommers sonette / a summer’s sonnets. edition signathur, dozwil 2008. 52 S., Fr. 24.–. eugen gomringer / markus marti: der sonette gezeiten / the sonnets‘ tides. edition signathur, dozwil 2009. 64 S., Fr. 24.–.
dadaisten wurden katholiken, konkretisten eben sonettisten, das ist wohl der natürliche lauf der dinge. willkommen jenseits der apokalypse 😉
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