67. Keine neue Form in Sicht?

Gestern abend bei Arte (ich kannte mal einen, Professor, der sagte ganz unironisch, er habe noch nie was bei Arte gesehen) John Neumeyer über Nijinsky. Darin (aus dem Gedächtnis zitiert) dies:

Eine neue Form der Lyrik zu erfinden, die nicht von der Lyrik des 19. Jahrhunderts borgt…

Was auch immer er sonst noch sagen wollte: er hat recht. (Und mir fällt ein, daß es bei und nach Nijinsky im Tanz wohl tatsächlich gelungen ist – während die expressionistischen Lyriker und noch fast alle Modernen (die dezidiert Nichtmodernen ohnehin) seit 100 Jahren beim vorvorigen Jahrhunderts borgen. Die beim Symbolismus, die bei der Romantik, Klassik eingeschlossen, und die beim Naturalismus. Die Lyrik des 20. und, soweit zu sehen, 21. Jahrhunderts, eine Erfindung des 19.*).

*) oder wahlweise: eine Kette gescheiterter Aufstände. Wohin führen die derzeitigen? Aufstände der Verstörten, Verstörer und Revolteabordnungen.

4 Comments on “67. Keine neue Form in Sicht?

  1. war aber vielleicht im späten 18. und frühen 19. jh. nicht auch der eindruck da, die lyrik habe längst ihre form gefunden (zumindest außerhalb des deutschsprachigen raums)? vielleicht sind wir in der 289. schlaufe seit archilochos? und wer weiß, wie post er sich selber vorkam?

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  2. Wenn ich recht verstanden habe, meinte er „Lyrik“ im allgemeinen Sinn von „Poesie“ oder „Kunst“, „Ästhetik“, bezogen auf den Tanz.
    Duncan – haben Sie sicher recht. Mir gings nur darum, daß der Abstand zum 19. Jh. beim Tanz größer ist als bei der Lyrik. Vielleicht hatte ja die Lyrik ihre neue Form schon in den 120, 130 Jahren vor Rimbaud gefunden, daß sie nun eine Weile nichts tun kann, als sich in diesem Raum aufzuhalten? Muß ja nicht jede Zeit alles neu erfinden. Nur daß das gerade passierte, als „absolut modern“ zum Muß erklärt wurde. Da waren schon die Expressionisten vielleicht postmodern? Und wir in der 17. Schlaufe. (Postpost-, sagt ja zB Falkner. Wenn das reicht.)

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    • …und ich sage noch schnell entschuldigung für das unterschlagene „t“ in ihrem Namen.

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  3. Lieber Michael Graz, ich habe die Sendung nicht gesehen und weiß daher nicht, worauf sich „Lyrik“ im Neumeyer- Zitat bezieht – auf Nijinsky als „lyrischen“ Tänzer? Aber es sollte jedenfalls nicht unerwähnt bleiben, dass der revolutiönare oder innovative Anteil an Nijinskys Tanz – also des späten Nijinskys samt seiner eigenen drei Choreografien – dass sie also nicht denkbar gewesen wären ohne Isadora Duncan, die auf diesem Gebiet schon gehörig Vorarbeit geleistet hatte.

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