180. Geendlert, geerbt

Ob der wunderbare Titel „Vokalise geht einkaufen“ oder das Wort „höricht“ auf Oskar Pastior hinweisen, bleibt ungewiss, auch die „flughunde“ sind wohl eher metaphorische Fledermäuse als eine Hommage für Marcel Beyers gleichnamigen Roman*. Das autobiografischste Gedicht „wer anderen ein ei ins nest färbt“ ist Volker Braun gewidmet und beschreibt die Herkunft der 1958 in Gotha geborenen Schriftstellerin als einen „eher eng zu nennenden ort / in einer eher eng zu nennenden landschaft, die, von bergen umstellt, / am thüringer becken hing. mein nest war mir sicher, / nie hatte ich furcht, der vorrat wollte nicht reichen, und dass mir / die kleider schnell platzten aus den volkseigenen nähten, / war meine wie meiner mutter und großmutter absicht.“

Von den nicht passenden Kleidungsstücken sagt die Autorin, dass sie sie „manchmal erbte und färbte in kirsch oder braun“ und dass sie sie „endlerte und auftrug bis zum abmickeln“. Ja, so kommen die Dichter ins Nest. Farben sind sie und Tätigkeitswörter, Verbformen, wie wir sie von den entsprechenden Namensableitungen „gebennt“ und „gerilkt“ her schon länger kennen. Kathrin Schmidts Dichter-Verben sind aber neu, wie so vieles neu ist in diesem aufregenden Gedichtband. / HERBERT WIESNER, Die Welt 27.2.

Vgl. L&Poe 2010 Feb #155. Lust am Überfluss

*) Aber mit Verlaub, daß eine belesene Autorin die Wörter Vokalisen und Höricht verwendet und nicht an Pastior denkt, sollte man wohl ausschließen! – Das „wir“ in „wie wir sie schon länger kennen“ könnte man auch mal untersuchen. Ich würde eher sagen, sie schreibt sich in das Verweisungsnetz der  Sächsischen „Gruppe“, wie es hin und her ging. (Nicht anders übrigens als die, Gruppe oder nicht, Rudolph und Winkler und Falb und Popp und und und)

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