137. Gedenktag

Zum 150. Todestag von Ernst Moritz Arndt schreibt MATTHIAS KAMANN, Die Welt 29.1.:

Blutrünstig und von Franzosenhass getrieben, unternahm er immer neue verbale Sturmläufe – bei denen er als Lyriker oft strauchelte: „Da hieb dem Bonaparte/ Das Glück eine solche Scharte,/ Dass man auch ohne Warte/ Sie sah auf Meilen Raum.“ Bedenkt man, was in der deutschsprachigen Lyrik jener Epoche möglich war, muss man den Lyriker Arndt schwach nennen. Nur einige Dorf-Idyllen, Zeilen aus Altersgedichten („Wie sollt‘ ich anders denn vor Gott erscheinen/ Am jüngsten Tag als trauernd und zerrissen?“) sowie Kirchenlieder („Kommt her, ihr seid geladen“) lohnen die Lektüre.

Da er aber sonst ein niederer Lyriker war und zudem die Feindschaft gegen Juden predigte („wie Fliegen und Mücken und anderes Ungeziefer“), lässt sich zumindest nachvollziehen, warum in Greifswald gegenwärtig Studentengruppen verlangen, dass man der Universität, die 1933 auf Antrag von rechtsradikalen „Stahlhelm“-Professoren in Ernst-Moritz-Arndt-Universität umbenannt wurde, einen anderen Namenspatron geben sollte.

Und ich finde, Qualität als Lyriker gibt ein gutes Kriterium für einen Namenspatron. Düsseldorf und Frankfurt: können bleiben. Jena? Wird geprüft. Alle andern: Rübe ab, äh, Namensschild.*

Und da wir beim Thema sind: Ich sympathisiere mit den Studenten, die die Umbenennung der Greifswalder Universität betreiben. Wenn auch nicht frei von Bedenken. Wird die Uni besser, wenn sie nicht mehr nach einem drittklassigen pommerschen Dichter und Bonner Professor heißt? Ist das also nicht ein Nebenkriegsschauplatz? Zudem mit dem Beigeschmack, daß „wir“ auf der moralisch sicheren Seite sind. Namensgebungen sind nicht mehr zeitgemäß, sagen manche. Aber darum gehts ja nicht, das ist 1933 passiert. (Damals gabs klare stramme Mehrheiten – nicht erst nach der „Machtergreifung“.) Man könnte auch sagen: Umbenennungen sind nicht mehr zeitgemäß. Manche Schulen, Straßen, Kasernen oder so Bedürfnisanstalten haben Namen, die nicht jedem gefallen müssen: Aber sie erinnern uns an Geschichte. Dazu gehört halt, daß nicht immer alle so gedacht (und gehandelt) haben wie Wir heute. Umbenennungen entsorgen immer auch ein Stück Geschichte. Das macht sie beliebt.

*) okay, Halle bleibt auch: Luther war ein verdammt guter Lyriker, auch wenn es nicht alle glauben.

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