77. Die Schneisen und der LiteratUrwald

Theo Breuer schreibt im Poetenladen über Literaturpreise im Allgemeinen und den Deutschen Buchpreis speziell, über große und kleine Verlage und natürlich über seine (exzessive) Lektüre, über Prosa und Lyrik, inclusive einer Zusammenstellung klassischer und aktueller Romananfänge und seiner Liste „Prosa 2009 • My long or short list – whatever“. – Kleine Warnung für Leute, die nur querlesen: das selbstkritische Zitat von Kathrin Schmidt bezieht sich nicht auf den gerade preisgekrönten Roman „Du stirbst nicht“, sondern auf einen früheren. Es stammt aus einem vor einigen Wochen im Poetenladen veröffentlichten Interview und lautet:

Aus meiner heutigen Sicht hätte dieser Roman gar nicht ver­öffentlicht werden müssen. Ich finde, dass er klappert und dass er schwach ist. Ich stehe trotzdem dazu, weil ich mich an ihm aus dem Sumpf der Sprachlosigkeit gezogen habe. Ich war zu diesem Zeitpunkt aber noch sehr zerrissen und unentschieden über meinen Schreibstil. Deswegen ist es auch so ein komisches Konglomerat.

Zwei Auszüge aus Breuers Text:

Daß die nach 2000 erschienenen Lyrik­bücher innovativer, reiz­voller, viel­schichtiger sein sollen als die Romane und Erzählungen im 21. Jahrhundert, wie hier und dort vermeldet wird, kann ich nicht erkennen: Ich nehme die beiden litera­rischen Abteilungen in diesen Zeiten der kleinen Ver­schiebungen (Ernst Jandl) wahr als auf einem erhöhten Plateau gelegene weite Felder mit bemerkens­werter Bandbreite und dranghafter Dichte und sehr wenigen heraus­ragenden Figuren bzw. Werken, wie es sie im neun­zehnten und zwanzigsten Jahrhundert in erstaunlicher Menge gab.

(…)

Probleme des Feuil­letons sind unmittelbar verzahnt mit denen der Preise, wie Hans Magnus Enzensberger in dem in Scharmützel und Scholien. Über Literatur abgedruckten, 1999 verfaßten Aufsatz Eine unverbindliche Preis­empfehlung nachweist (ebenso wie Probleme der schieren Menge der jähr­lichen Preise und Publikationen): Für irgendwelche Bücher müssen sich die Redakteure der Zeitungen und Magazine schließlich entscheiden, und wie um Gottes willen sollen sie aus dem gewaltigen Bücherberg ausgerechnet die gelungensten und originellsten heraus­fischen – zumal die Ansichten, über das, was gute Literatur sei, immer schon heftig aus­einander­gegangen sind. Daß dabei grundsätzlich Bücher aus großen bzw. im gesamten deutschen Sprachraum bekannten Verlagen bevorzugt werden, ist aus Sicht der Redakteure und Kritiker nachvoll­ziehbar, verzerrt anderer­seits den Blick auf den LiteratUrwald, in dem so viele und so ver­schieden­artig gefiederte große, kleine und winzige Verlags­paradies­vögel nisten. Ich flaniere gern durch diese verzweigte Welt.

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