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William Herschel, autodidaktischer Einwanderer aus Deutschland mit „dem Mut, der Neugier und Erfindungskraft eines Flüchtlings“, verdiente den Unterhalt für sich und seine hart arbeitende Assistentin, seine Schwester Caroline, mit Musikunterricht in Bath. Beide verbrachten endlose Stunden mit riesigen selbstgebauten Teleskopen, rieben die klammen Hände mit Zwiebeln ein und durchsuchten den Nachthimmel nach ungewöhnlichen Sternen, wie Musiker eine Partitur vom Blatt spielen. Die Ausdauer wurde belohnt: Herschel entdeckte den ersten neuen Planeten seit über 1000 Jahren.
Holmes beschreibt, wie der Mythos dieses „Eureka-Moments“, so zentral für den romantischen Begriff der wissenschaftlichen Entdeckung, nicht so recht auf die sich lang hinziehende Diskussion über die genaue Natur des schweiflosen „Kometen“ paßt, den Herschel entdeckt hatte. Es war Keats, der in einem berühmten Sonett das plötzliche Empfinden erweiterter Horizonte, das ihn beim Lesen von Chapmans elisabethanischer Homerübersetzung überfiel, mit Herschels Erregung beim Anblick des Uranus verglich: “Then felt I like some watcher of the skies / When a new planet swims into his ken.” [in Mirko Bonnés Übersetzung: „Wie einem Astronom erging’s mir da/ Schwimmt ihn ein neuer Stern im Fernrohr an“ John Keats: Werke und Briefe. Reclam 1995]. Holmes weist auf die „evokative Brillianz“ der Wahl des Verbs „schwimmt“ hin, als sei der Planet „irgendein unbekanntes, leuchtendes Wesen, das aus einem rätselhaften Sternenozean hervorgeht“. Als jemand, der durch sein Medizinstudium mit dem wissenschaftlichen Diskurs vertraut war, hat Keats vielleicht auch gewußt, daß Teleskope manchmal den Eindruck vermitteln, man sehe Gegenstände „durch eine leicht bewegte Wasserfläche“. / CHRISTOPHER BENFEY, New York Times 19.7.
THE AGE OF WONDER
How the Romantic Generation Discovered the Beauty and Terror of Science
By Richard Holmes
Illustrated. 552 pp. Pantheon Books. $40
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