20. Klassische Rächt-schraybunk

Nachdem nun endlich! zwei beherzte Männer zur Rettung der Republik sowie zur Tat schritten und fortan wenigstens in ihren privaten Zeitungen zur klassischen deutschen Rechtschreibung zurückkehren, will L&P auch nicht abseits stehen. Haben wir doch ohnehin (wem ist es aufgefallen?) außer in fremdsprachigen Texten und Zitaten stets die uns weiland beigebrachte Dudenorthographie bewahrt. Aber nun klassisch: das ist radikal, das ist kühn! Freilich bleiben ein paar Details zu regeln. Als Denk- und wmgl. Entscheidungshilfe stellt L&P ein paar klassische deutsche Gedichte aus verschiedenen Epochen zusammen. Prosit! bzw.: Möge es den Fachleuten nützen! Möge es die Laien erfreuen! Oder wie der Dichter sagt: seht an pfaffen, seht an leien,  wie daz allez vert.

Bertolt Brecht 1951:

 

Auf einen chinesischen Theewurzellöwen

Die Schlechten fürchten deine Klaue.
Die Guten freuen sich deiner Grazie.
Derlei
Hörte ich gern
Von meinem Vers

 

Arno Holz 1904:

Er brohbt erst sein Säyten-Spihl.

Qwodlibet.

 

Dreyssig Jahre / Krieg / dein Grauß
Gott sey Danck / die Zeit ging auß /
Teutschland pflantzt sich wihder Aehren;
seine Zweytracht stieg zu Grab /
unter nichts wie Freuden-Zähren
warff es seine Waffen ab!
Mars / dein Morden
schnob fürbey /
deiner Horden
sind wir frey!
Statt wo sonst blohß Kugen flögen /
Wölben sich die Friedens-Bögen!

 

Himmel / Heu und Haberstroh /
bey sothanen Dingen
sollt mir da mein Mongpopo
nicht für Freuden springen?
Sollt ich murrisch und aigrirt
hindterm Ofen sizzen /
itzt / wo alles qwinqwelirt /
daß die Funcken sprizzen?
Nein / von meinem muntren Rohr
reiß ich jeden Drauer-Flohr /
bey Konfäkkt und Wein
will ich lustig seyn!

 

Süssestes Kathringen /
sing in mein Zythringen!
Mit Flöten und mit Leyren
wollen wir dihß feyren:
Die Fenster haben wihder Scheiben /
weil die Leutnamts Kühe dreiben!
Jeder so in Dorff wie Stadt
Küsst sich itzt an Seiner satt /
keiner mehr Bedäncken drägt /
daß ihn wo ein Schnapp-Hahn schlägt!

 

Vor so fegten durch die Gassen
blohß Cardaunen und Carcassen /
vor so schmetterten und krehten
blohß die Wekk- und Schrekk-Corneten /
vor so kunt man kaum für Rauffen
Grüzz-Worst frässen / Dünn-Bier sauffen!
Itzt so stopfft man sich den Magen
mit Behagen!
Itzt so blahsen uns die Zincken
blohß zum Drincken!
Itzt so übt man früh wie spaht
waß schon Zeus mit Leden dhat!

 

Ich finde würcklich dihse Zeit
von außgesuchter Schmakkbahrkeit!

 

alternativ von Arno Holz:

 

Tlicktlacktlucktönn! Schuw em rönn!
Plödderiplarsch! Aewer quarsch! Plödderiplär! Aewer Quär!
Op m Stohl! Anne Eer!
Drömmeldidrank! Aewre Bank! Drommeldidrett! Aewert Bett!
Drömmeldidrickjeck! Rönn ön n Spickspeck!
Tscharktscheräktschönn! Dor geit nich rönn!
Tscherktscheräktschut! Dor geit blot rut!
Tscharktscheräktscho! Glik bito! Tscharktscheräcktschi! Dicht derbi!
Plinkeplinkeplengel! Wat n Stengel! Tinketlinketlengel! Wat n Schwengel!
Binkeblinkeblengel! Wat n Bengel! Tschäckteräcktschief! Stat de stief!
Tschittscheretschönn! Lat em sönn! Plittschereplönn! Drönn is drönn!

 

Friedrich Hölderlin 1805:

 

Vom Delphin

 

Den in des wellenlosen Meeres Tiefe von Flöten
Bewegt hat liebenswürdig der Gesang.

 

Der Gesang der Natur, in der Witterung der Musen, wenn über Blüthen die Wolken, wie Floken, hängen, und über dem Schmelz von goldenen Blumen. Um diese Zeit giebt jedes Wesen seinen Ton an, seine Treue, die Art, wie eines in sich selbst zusammenhängt. Nur der Unterschied der Arten macht dann die Trennung in der Natur, daß also alles mehr Gesang und reine Stimme ist, als Accent des Bedürfnisses oder auf der anderen Seite Sprache.

Es ist das wellenlose Meer, wo der bewegliche Fisch die Pfeife der Tritonen, das Echo des Wachstums in den waichen Pflanzen des Wassers fühlt.

 

Christian Wernicke 1697:         

 

Auf den Thrax

 

Thrax denckt wer hochdeutsch spricht / der müß notwendig lügen/
Daß / der so höflich ist / ihn suche zu betrügen;
Er denckt, daß die Bescheidenheit
Der Feigheit Zeichen sey / und giebet keinem nach;
Er glaubet, es besteh die deutsche Redlichkeit
Jn Grobheit / und in Nieder Sächscher Sprach.

Martin Luther 1526:

 

Jesaia dem propheten das geschach,
das er ym geyst den herren sitzen sach
auff eynem hohen thron ynn hellem glantz,
seines kleides saum den kor fullet gantz.
Es stunden zween seraph bey yhm daran.
Sechs flugel sach er eynen ydern han,
mit zwen verbargen sie yhr antlitz klar,
mit zwen bedeckten sie die fusse gar,
und mit den andern zwen sie flogen frey,
gen ander ruffen sie mit grossem schrey:
Heylig ist Gott der herre zebaoth.
Heilig ist Gott der herre zebaoth.
Heilig ist Gott der herre zebaoth.
Sein ehr die gantze welt erfullet hat;
von dem schrei zittert schwel und balcken gar,
das haus auch gantz vol rauchs und nebel war.

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