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Veröffentlicht am 13. Dezember 2003 von rekalisch
In seinem 1962 veröffentlichten Lyrikband Schattenland Ströme ließ Johannes Bobrowski drei Gedichte aufeinander folgen, von denen jedes einer jüdischen Dichterin gewidmet ist. Eines von ihnen richtete sich an die 1940 nach Schweden emigrierte und von da an in Stockholm lebende Nelly Sachs, ein anderes an Else Lasker-Schüler. Das dritte Gedicht ist mit „Gertrud Kolmar“ überschrieben und endet mit den Zeilen: „Wenn ich deiner gedächte:/ Vor die Buche trat ich,/ ich hab befohlen der Elster:/ Schweig, es kommen, die hier/ waren – wenn ich gedächte:/ Wir werden nicht sterben, wir werden/ mit Türmen gegürtet sein?“ Bobrowski gedenkt der einzigen der drei Lyrikerinnen, die der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie nicht entkommen war und ihr 1943 in Ausschwitz zum Opfer fiel, mit einer Sprache, die „rostig von Blut“ ist – und indem er in der letzten Zeile fast wortwörtlich aus ihrem Gedicht „Die Jüdin“ zitiert, aus dessen Auftaktversen: „Ich bin fremd.// Weil sich die Menschen nicht zu mir wagen,/ Will ich mit Türmen gegürtet sein,/ Die steile, steingraue Mützen tragen/ In Wolken hinein.“ / Jan Wagner, FR 13.12.03
Gertrud Kolmar, Das lyrische Werk. Herausgegeben von Regina Nörtemann.Wallstein Verlag, Göttingen 2003. Drei Bände, 1248 Seiten, 98 Euro.
Im Netz: Kolmar-Seite Falkensee / orte. Kontextverlag / Wer war Gertrud Kolmar / Les mondes de Gertrud Kolmar (L´humanité) / Reinhard Döhl /
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Else Lasker-Schüler, Gertrud Kolmar, Jan Wagner, Johannes Bobrowski, Nelly Sachs
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