Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 1. März 2003 von rekalisch
Der österreichische Expressionist Albert Ehrenstein z. B. erfand dazu einen neuen «-ismus»: den «Ahasverismus». Die archaische Figur wurde ihm zum Modell einer weltbürgerlichen jüdischen Moderne. Sowohl gegen «den Assimilanten, den Vollblutaffen mit Monokel und eisernem Kreuz», als auch gegen den «Zionismus», diese Idee eines «jüdischen Nationalparks» und «Indianerterritoriums» für «gemässigte Israeliten», hielt er die Figur des wandernden Juden als Prototyp des modernen kosmopolitischen Menschen. «Man jammere nicht allzu sehr über die Diaspora!», entgegnete er den Zionisten – und erklärt auch, weshalb: «Gewiss ist der Ahasverismus, die Heimatlosigkeit, ein bitteres Schicksal dem Einzelnen, aber sie ist ein Grund der verhältnismässig grossen Leistungen vieler Juden. Ich habe Respekt vor Juden – als einer fast unbegrenzten Entwicklungspotenz: Sie haben die grösste Möglichkeit zum (. . .) übernationalen Menschen.» Mit antibürgerlichem Gestus stellte Ehrenstein gegen die deutschtreuen Juden und gleichermassen gegen die europamüden Zionisten die Diaspora als postnationalistisches Konzept von Moderne überhaupt. / Andreas Kilcher, NZZ 1.3.03 (darin auch ausführlich über Karl Wolfskehl)
Kategorie: Österreich, DeutschSchlagworte: Albert Ehrenstein, Andreas Kilcher
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare