Nationalphilologien

In der FR setzt Klaus Garber die Debatte um Nationalphilologien fort:

Gäbe es eine Kultur des Erinnerns in Deutschland, müsste auch dieser literarische Aufbruch inbegriffen sein. Wir scheuen uns nicht, Opitzens Trostgedichte in Widerwertigkeit des Krieges der Jahre 1619/20 – ein Werk, das der geschilderten Situation entsprang und sie in Bildern von packender Gewalt festhielt – als eines der großen Zeugnisse des verspäteten literarischen Humanismus auf deutschem Boden zu apostrophieren. Wer aber kennt es noch? In die Reclam-Ausgabe seiner Gedichte ist es verstümmelt eingegangen und ansonsten leicht greifbar nicht verfügbar. Und sieht es anders aus mit der großen politischen Lyrik aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in der sich der Schauder vor den Gräueln auf ergreifende Weise mit der Sehnsucht nach Frieden und der verzweifelten Ausschau nach Sinn und Deutung des Unfassbaren verbindet? Paul Fleming, Simon Dach, Johann Rist, Andreas Gryphius und wie sie sonst heißen, haben ihr ihre Stimme geliehen. Später zum Friedensschluss werden es die Nürnberger Harsdörffer und Klaj, Helwig und Birken sein, die in teilweise atemberaubend gewagten Versen den Frieden begrüßen, in denen die deutsche Sprache eine artistische Geschmeidigkeit und eine Formvollendung erlangt hat, die den späteren virtuosen Schöpfungen eines Eichendorff und Brentano gewiss nicht nachstehen

/ FR 9.4.02

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