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Es geht mir weit mehr um die Schulung des eigenen Denken als um die korrekte Wiedergabe historischer Zusammenhänge. Das ist natürlich immer wieder unredlich. Ein bedenkenswerter Punkt bleibt jedoch jederzeit, dass Intention und Wirkung bisweilen auseinanderklaffen können. Ob nun Stolterfoht mit seinen „fachsprachen“ geben Celans Dichtungskonzeption angeschrieben hat oder nicht, ändert wenig an möglichen Verwandtschaften contre coeur. So können zwei Autor:innen letztlich aus entgegengesetzten Richtungen kommend beim selben landen.
Den Wert von Schwitters Projekt sehe ich vor allem darin, dass er sich auf einem Feld abseits großer lyrischer Traditionen hartnäckig auf eine Suche begibt.
Auch kann der Geisteswissenschaftler eventuell seine geringen mathematischen Fähigkeiten umdeuten zu einer Begabung in einem Sonderreich, zu dem eine instrumentell mathematisch naturwissenschaftliche Denkweise keinen Zugang hätte.
Er skizziert dort eine Linie der bildhaften Poesie, angefangen bei den ersten Schriftdokumenten über Hölderlin, Benn, Brinkmann und Celan bis hin zu Stolterfoht, Egger und ihm selbst. Für den Beginn dieser Traditionslinie führt er uns zurück zu beschrifteten Felsformationen in Kanaan, wobei eine wichtige Pointe hier ist, dass er die bildlichen Qualitäten von Lautschriften herausarbeitet.
Warum denn ein Sonett? Warum denn ein Haiku? Je weiter außer Kurs eine Form ist, sie mag neu oder im Gegenteil aus der Mode geraten sein, desto eher neigen Lesende zu solch einer Nachfrage und die drängende Nachfrage wird zu einer Quelle des Misstrauens gegen das einzelne Gedicht, welches diese Form verkörpert: Schnell, so beobachte ich, wird ein bloß mögliches Problem in dieser Sache mit einem wirklichen verwechselt.
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