fackel

In dem frechen Online-Literaturmagazin “ fackel “ glossiert Gregor Eisenhauer eine Diskussion zwischen Günter Kunert, Rita Dove und Inger Christensen . 4.5.02

Gedenken toter Dichter

Frankreich hat die Pléiade und das Panthéon. Deutschland verewigt seine Dichter in historisch- kritischen Ausgaben. Und Österreich hat den Zentralfriedhof. Nur die Schweiz weiss nicht recht wohin mit ihren toten Dichtern (auch wenn sie ihr im Grunde lieber sind als die lebenden). Immerhin: Hoch über dem Neuenburgersee hat man Dürrenmatt ein Mausoleum errichtet. Aber musste der Staat nicht geradezu genötigt werden, sich daran zu beteiligen? Und wurde in Zürich nicht jüngst eine Gasse nach Robert Walser benannt? Doch das besagte Gässlein ist so kurz und unscheinbar, dass es zuvor noch nicht einmal einen Namen hatte.

Doch jetzt hat man sich etwas einfallen lassen. / Mehr in der NZZ v. 4.5.02

Kurt Drawert

In der Frankfurter Anthologie stellt Joachim Sartorius ein Gedicht von Kurt Drawert vor. / FAZ 4.5.02

Nachtwanderer der Moderne

In seinem jüngsten Gedichtbuch Bilder vom Erzählen kehrt Hilbig , der Nachtwanderer der Moderne, zu den Themen und Motiven seiner lyrischen Anfänge zurück. In dem Titelgedicht des Bandes Bilder vom Erzählen ersehnt sich nun das lyrische Alter Ego des Autors von einem Raben die Einweihung „in das Sakrament der Finsternis“. Als „Bruder der Nacht“ bewegt sich hier ein schlafloses Ich durch eine Landschaft, die keine festen geographischen Konturen hat, sondern sich zusammensetzt aus ständig oszillierenden Orten und Räumen. In den großen Prosawerken Eine Übertragung (1989) und Alte Abdeckerei (1991) durchstreifte das von „Müdigkeit“ befallene Ich noch über weite Strecken die Abraumhalden und „höllischen Landstriche“ der DDR. Es ist ein im besten Sinne unzeitgemäßes Sprechen, das in den Bildern vom Erzählen erprobt wird: Es spricht ein somnambuler Visionär mit überscharfer Wahrnehmungsempfindlichkeit, der seine Phantasmagorien in pathetische, expressiv aufgeladene Verse fasst. / Michael Braun, FR 3.5.02.

Aus dem Lavanttal – bildverrückt & wutoffen

Lavant , wie sich Thonhauser, die den 20 Jahre älteren Maler Habernig geheiratet hatte, nannte, ist eine religiöse Dichterin, aber streng im Sinn des 20. Jahrhunderts, das heißt als Ketzerin. Kerstin Hensel hat es in einem schönen Lavant-Aufsatz einmal so gesagt: „Bei jeder Perle des Rosenkranzes zählt sie fünf Gottseiverflucht und zehn Aveluzifer.“ Das heißt: Die Sprache von Lavants Gedichten, oft bildverrückt, ist auch wutoffen wie selten eine. Und wenn sie als weiblicher Hiob Kärntens ihrem Gott flucht, kann sie so schnoddrig sein wie François Villon selig: „Vergiss dein Pfuschwerk, Schöpfer! / Sonst wirst du noch zum Schröpfer / an dem, was Leichnam ist und bleibt / und sich der Erde einverleibt / viel lieber als dem Himmel.“ / Die Zeit 19/ 2002

Büchnerpreis an Hilbig

Der Büchnerpreis geht in diesem Jahr an Wolfgang Hilbig. Darmstädter Echo (2.5.02) schreibt u.a.:

1979 gab der Verlag S. Fischer in Frankfurt am Main den Lyrik-Sammelband „Abwesenheit“ heraus. Die DDR reagierte auf ihre Weise – mit einer Anklage gegen „Devisenvergehen“, mit Untersuchungshaft und einer Geldstrafe. 1980 immerhin druckte die Ostberliner Zeitschrift „Sinn und Form“, nachdem Franz Fühmann sich für den Lyriker eingesetzt hatte, einige Gedichte, und 1983 erschien bei Reclam in Leipzig die Gedichtsammlung „Stimme Stimme“ – freilich in einer Auswahl, die politisch unerwünschte Gedichte verschwieg.

(Ob sein Verlag den kürzlich huchelpreisgekrönten Lyrikband „Bilder vom Erzählen“ jetzt veröffentlicht ?)

/ Siehe auch Walsroder Zeitung 2.5.02 / NZZ 2.5. Süddeutsche 2.5. / Die Welt 3.5. / MDR 2.5. / Berliner Zeitung 3.5. / FAZ 4.5.02 (Hubert Winkels findet Hilbigs Kritik der Bundesrepublik „entweder überzogen oder wohlfeil“ und nennt den jüngsten Lyrikband „ein Alterswerk“, je nun).

Landbote 4.5. / Süddeutsche 4.5.: Gespräch mit W.H./ Würdigung durch Ingo Schulze:

Vorausgesetzt, der Teufel hätte sich in den letzten Jahrzehnten darüber Gedanken gemacht, mit welchem deutschen Schreiber es sich überhaupt noch lohnen würde, einen Pakt zu schließen – er wäre schnell beim Dichter Hilbig erschienen.

FAZ.net spendiert frühere Rezensionen, darunter zu Bilder vom Erzählen (6.11.01)

Marcel Beyer,

hoch gelobter und mit dem Heinrich Böll-Preis der Stadt Köln ausgezeichneter Lyriker, ist der zweite Stipendiat des von Thomas Kling betreuten „Fellowship: Literatur“ der Stiftung Hombroich und wohnt und arbeitet seit einigen Wochen im sogenannten „Dreigeschossigen“ (Gästehaus) auf der Raketenstation Hombroich. / Neuß-Grevenbroicher Zeitung 1.5.02

Drawert: Frühjahrskollektion

Dennoch, aus solchem «Abfall», aus Schreckenswörtern wie «leicht», aus den von der Werbeindustrie okkupierten Träumen steigt Phönix, und «Rettung, / wenn überhaupt, / kommt von den Fehlanzeigen». «Kurz vor der Selbstabschaffung» also immer noch «die Sehnsucht nach einer Botschaft». Es sind die Gedichte selbst, die diese Hoffnung bezeugen. Wer heute dem mühsam gefundenen Wort trotz allem vertraut, muss weiterschreiben. / Iris Denneler, NZZ 30.4.02

Kurt Drawert : Frühjahrskollektion. Gedichte. Suhrkamp- Verlag, Frankfurt am Main 2002. 96 S., Fr. 27.30.

Brodsky

Mit Bezugnahme auf Marina Zwetajewas oft zitiertes Diktum, wonach «in dieser christlichsten der Welten alle Dichter Juden» seien, bekräftigt Brodsky seine Überzeugung (und auch seine persönliche Erfahrung), dass jeder, der das Schreiben als Kunst ernst nehme, immer schon dann sich im Exil befinde, wenn er – egal, ob in Russland oder in den USA – die Strasse betrete: «Ich sitze da, schreibe Gedichte, dann geh ich hinaus und begegne Menschen, die meine potenziellen Leser sind – und gleich fühle ich mich als ein absoluter Fremdling.» /Felix Philipp Ingold , NZZ 29.4.02

Sabine Scho

In der FAZ vom 29.4.02 weist Thomas Kling auf die junge Dichterin Sabine Scho hin.

Marie Ponsot

Michelle O´Donnell spricht mit der New Yorker Dichterin Marie Ponsot / NYT*) 28.4.02

Verbal Pyrotechnics

Make way for the mind-bending experiments — the verbal pyrotechnics — of the Russian poet Velimir Khlebnikov (1895-1922), whose friends christened him „Velimir the First, King of Time.“ Khlebnikov’s early Futurist work has the hijinks glow and aggressive hilarity of youth („We rang for room service and the year 1913 arrived,“ he wrote, „it gave Planet Earth a valiant new race of people, the heroic Futurians“), and reading it, even in translation, often makes me burst out laughing. / Washington Post Sunday, April 28, 2002; Page BW12

State of siege

Mahmud Darwisch: State of siege

When the airplanes disappear the doves fly,
White, white, they wash the cheeks of the sky
With their free wings, regaining the glory and monopoly
Of the air and of playing. Higher and higher, the doves fly,
White, white. Would that the sky
Were real. [A man, passing between two bombs, told me]
[…]
Glimmer, insight, and lightning
Could look the same…
In a little while I’ll know if this was
Revelation…
Otherwise, close friends will know that the poem
Passed, killing the poet

Al-Ahram Weekly 581/2002

Lyrik in Fahrt

Über das vorzeitige Ende der Plakataktion „Lyrik in Fahrt “ berichten die Dresdner Neusten Nachrichten , 27.4.02

Im Diesseits verschwinden

H.-D. Schütt bespricht:

Karl Krolow: Im Diesseits verschwinden. Gedichte aus dem Nachlass. Hrsg. von Peter Härtling und Rainer Weiss. Suhrkamp Frankfurt (Main). Geb., 240 S., 19 EUR / ND 27.4.02