Fabriken, Licht und Untergang

209 Wörter, 1 Minute Lesezeit

Uriel Birnbaum 

(geboren 13. November 1894 in Wien; gestorben 9. Dezember 1956 in Amersfoort, Niederlande)

Verse

Im Flusse widerglänzten die Fabriken,
Im Rädertaumel zitterten die Brücken,
Ich eilte fröstelnd durch die Sommernacht.
Es schrie die Nacht laut auf aus grellen Fenstern,
Und Lichtreklamen tanzen gleich Gespenstern
– Zu wüstem Wirbel war der Schlaf erwacht.
Ich eilte fröstelnd durch das halbe Dunkel,
Es peitschte mich das lärmende Gefunkel,
Umschlang mich höhnisch: Weiß, grün, blau, rot, rot –
– Die ernste Sommernacht war wie zerflossen
– Durch grelle Gassen schrille Autos schossen –
– Die Steine lebten und der Mensch war tot!

Aus: Armin A. Wallas (Hrsg.): Texte des Expressionismus. Der Beitrag jüdischer Autoren zur österreichischen Avantgarde. Linz, Wien: edition neue texte, 1988, S. 38

Uriel Birnbaum (1894–1956) war ein österreichischer Dichter, Schriftsteller, Maler und Grafiker jüdischer Herkunft. Er war der Sohn des zionistischen Publizisten Nathan Birnbaum und wuchs in Wien auf. Nach seinem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg entwickelte er eine eigenständige, symbolistisch geprägte Bild- und Sprachwelt und veröffentlichte Gedichtbände, Essays sowie Illustrationen zu biblischen und literarischen Stoffen. In den 1920er und 1930er Jahren schuf er zahlreiche Holzschnitte und Buchillustrationen; 1938 floh er vor dem Nationalsozialismus in die Niederlande, wo er im Exil weiterarbeitete. Birnbaum starb 1956 in Amersfoort und gilt als vielseitiger Vertreter der expressionistischen und religiös inspirierten Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

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