Manchmal

178 Wörter, 1 Minute Lesezeit

Walter Werner 

(* 22. Januar 1922 in Vachdorf; † 6. August 1995, heute vor 30 Jahren, in Untermaßfeld, beide Orte liegen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen im südlichen Thüringen, da wo die Sprache fränkisch klingt.)

Manchmal beim Auskleiden 

Vor dem Schlaf, im Händehoch
und Kopfab, der täglichen Übung,
geht er sich ans nackte Fleisch.
Hierhin die vergessenen Medaillen,
die verschriebenen Urkunden und Tafeln.
Dorthin der zur Strecke gebrachte,
mehrfach hinterbliebene Held.
Den Ärmeln rutschen die Fäden,
den Hosen reißen die Nähte.
Hinüber in den langsamen Leib
die Liebe sucht Eingang
durch die Rundungen eines Knopflochs,
und der Tod verabschiedet sich
im Fall mit einem Fehltritt
von der letzten Stufe.

(1968)

Aus: Walter Werner, Die verführerischen Gedanken der Schmetterlinge. Gedichte. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Adolf Endler. Leipzig: Reclam, 1979, S. 7.

Reizvoll, denke ich beim Wiederlesen, ist vielleicht nicht der treffendste Ausdruck. Naturlyrik, wie man gern sagte, als man noch über den Dichter sprach, auch nicht.

Manche der Texte, vergleichsweise still und intim, sind wie Briefe an gute Bekannte, voll Vertrauen und voller Fragen. Mit anderen unternimmt er reizvolle Ausflüge ins Skurrile, Clowneske, schickt die Phantasie zu Erkundungen aus, neugierig auf die verführerischen Gedanken der Schmetterlinge.

Verlagswerbung in dem zitierten Band

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