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Peter Handke
(* 6. Dezember 1942 in Griffen, Kärnten)
Österreichisches Gedicht
1 Im Gedicht kommen zwei sonst getrennte Dinge zusammen
Ein Gedicht ist eine Verkündigung
2 Jetzt!
Und das Morgenlicht im Holunderbusch
3 Der Akazienzweig in den Herbsthimmel gewirbelt
als Friedenszweig
4 Gestern im Zug der Roman »Plötzlich wie ein Fremder«
Heute auf dem Schneefeld ein fernes Sausen
das plötzlich auch in der Nähe war
5 Es ist manchmal schwer einen Schneemann anzuschauen
Aber dafür geht ein Kind mit kräftigen Schritten
eine Treppe hinauf
6 Am Vormittag in der Parfumwolke eines Landgendarmen
Am Nachmittag der Humor eines leuchtenden Kuhfladen
7 Das Pfeifen eines Zuges weit draußen in der Ebene
schließt am Abend das tagesoffene Innere
8 Die Sonne macht untergehend eine Bergkante sichtbar
und hinter den Lärchen erscheint der Mond:
Eins gibt das andre
und man freut sich
9 Eins gibt das andre
und man freut sich:
und die Freude gibt wieder ein andres
10 Das weiße Gesicht einer Meise
als Flocke in der Dämmerung
11 Zitronenfalter hier:
flatternd gelbes Büchlein
vom blauen Hemd dort
12 Hinter der Stadt Magnolia am Yukon in Alaska
rollte der Mond als Schaufelrad
13 Am Morgen noch sanftes Übersehen
der Hakenkreuze
Am Abend
der Augenblick der Philosophie
14 »Unter Gut verstehe ich hier jede Art von Freude
und ferner alles, was zur Freude hinführt«
15 »Unter Wirklichkeit und Vollkommenheit
verstehe ich ein und dasselbe«
16 Ich denke begeistert
doch ermangelnd der Liebe
und möchte ein Gedicht für dich schreiben
Aus: Poesiealbum 352. Peter Handke. Wilhelmshorst: MärkischerVerlag, 2020
Leute, es gibt schon bald 400 dieser Hefte, aber man kann auch jetzt jederzeit einsteigen und wird über die nächsten Jahre ein buntes Magazin der Weltlyrik bekommen. Wo gibts das sonst so günstig?
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