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Veröffentlicht am 10. Juni 2025 von lyrikzeitung
Mariola Brillowska
AUS GOLD MODELLIERT DIE NACHT
Ich zeichne mich
Mit geraden Strichen
Meine Nase ist der Hauseingang
Meine Augen sind Fenster
Mein Gesicht ist eine Mauer
Meine Stirn ist der Teppich
Meine Ohren sind Labyrinthe
Mein Mund ist ein Tunnel
Meine Haare sind Wälder
Meine Schulter ist die Kirche
Mein Bauch ist die Wüste
Meine Brüste sind die Berge
Mein Becken ist der Busch
Mein Rücken ist der Ozean
Meine Beine sind Schlangen
Meine Füße sind Kinder
Ich habe keine Arme
Ich habe keine Finger
Ich habe keinen Hals
Ich habe keine Zunge
Ich habe Hautauschlag
Ich habe Schüttelfrost
Ich habe Tabletten
Ich habe Schmerzen
Im Kopf im Magen im Knie
Bin ich die Gipskruste
Bin ich des Monsters Keks
Esse mich heute genieße
Den Geschmack der Orange innen
Um zwölf Uhr Nachts
Fährt der letzte Bus
Zum Schloss im Mondschein
Am Tor trinke ich aus dem Brunnen
Die Strahlen des Abschieds
Aus Gold modelliert die Nacht
Zahnräder Gebisse und Schienen
Wohin ich verschwinde
Dort ist mein Horizont
Mein Licht mein Zuhause mein Traum
Mói swiat mój dom mój sen
Aus: Mariola Brillowska, An den Mechanischen Präsidenten. Berlin: SuKuLTuR, 2015 (Schöner Lesen 143), S. 14f
Mariola Brillowska emigrierte 1981 aus Polen nach Deutschland. Sie ist Filmregisseurin, Performancekünstlerin und Autorin.
Kategorie: Deutsch, Deutschland, PolenSchlagworte: Mariola Brillowska
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